Zur Ermittlung eines unangemessen niedrigen Angebotes
Vorschaubild: www.BillionPhotos.com / shutterstock
Zur Ermittlung eines unangemessen niedrigen Angebotes und zum ungewöhnlichen Wagnis aufgrund von Preissteigerungen wegen des Ukraine-Kriegs
Beschluss der Vergabekammer Westfalen – VK 3 – 24/22 vom 12. Juli 2022
Inneradministrativ wirkende Vorschriften, wie Rundschreiben und Erlasse, entfalten keine vergaberechtliche Relevanz in einem Nachprüfungsverfahren. Als rein verwaltungsinterne Anweisungen sind sie allenfalls auf dem allgemeinen Verwaltungsrechtsweg überprüfbar.
Die Kostenschätzung kann zwar, sofern Umstände und Erkenntnisse dies erfordern, während des Vergabeverfahrens aktualisiert werden. Insbesondere bei einer langen Angebotsphase oder bei unvorhersehbaren Auswirkungen auf die Preise zeitigenden Ereignissen kann sonst die ursprüngliche Kostenschätzung kein belastbarer Indikator für sehr hohe oder niedrige Preise sein. Sie muss allerdings vor Eingang der Angebote abschließend durchgeführt werden.
Kommt der Auftraggeber zu dem Ergebnis, dass ein unangemessen niedriges Angebot vorliegen könnte, tritt er in die Preisprüfung ein. Kann er diese anhand der vorliegenden Unterlagen nicht durchführen, ist er gemäß § 16d EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A verpflichtet, Aufklärung über die Ermittlung der Preise oder Kosten für die Gesamtleistung vom Bieter zu verlangen.
Die Unauskömmlichkeit eines Angebots hat nicht zwingend einen unangemessen niedrigen Angebotspreis zur Folge. Auch ist Unauskömmlichkeit nicht mit Unangemessenheit gleichzusetzen.
Aus der Erklärung eines Bieters, die Leistung nicht (mehr) auskömmlich erbringen zu können, folgt nicht zwingend das Vorliegen eines Angebots mit einem unangemessen niedrigen Preis, das ausgeschlossen werden kann oder muss.
Ob eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation unzumutbar ist, bestimmt sich nach dem Ergebnis einer Abwägung aller Interessen der Bieter bzw. Auftragnehmer und des öffentlichen Auftraggebers im Einzelfall.
Erst dann, wenn das aufgebürdete Wagnis über die üblichen Risiken hinausgeht, sich nicht abschätzen lässt und demzufolge eine Kalkulation unmöglich macht, kann ein
Verstoß gegen das Gebot des § 7 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A vorliegen. Unzumutbar ist eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation, wenn Preis- und Kalkulationsrisiken über das den Bietern typischerweise obliegende Maß hinausgehen. Unbeachtlich ist insoweit, ob das Wagnis vom Auftraggeber selbst oder weder von ihm noch dem Auftragnehmer beherrschbar ist.
In der Entscheidung der Vergabekammer Westfalen ging es u. a. um die Vorgehensweise bei der Ermittlung eines unangemessen niedrigen Angebotes und die Frage, ob die Preissteigerungen wegen des Ukraine-Kriegs ein ungewöhnliches Wagnis darstellen.
Sachverhalt:
Der Auftraggeber schrieb Rohbauarbeiten mit einer Angebotsfrist bis zum 04.03.2022 auf der Basis einer Kostenschätzung vom November 2021 offen aus. Das preisgünstigste Angebot der Antragstellerin lag etwa 20 Prozent niedriger als das nächsthöhere. Am 14.03.2022 teilte die Antragstellerin mit, dass sie aufgrund der mit dem Ukraine-Krieg verbundenen Preissteigerungen nur indexbasierte Preise auf Monatsbasis von ihren Lieferanten erhalte und bat um ein „Aufklärungsgespräch“. Daraufhin hielt der Auftraggeber im Vergabevermerk fest, dass seine bisherige Kostenschätzung nicht mehr zutreffe. Die Submission fand sechs Arbeitstage nach Beginn des Ukraine-Kriegs statt. In den folgenden Tagen stiegen die Kosten vieler Baustoffe sowie die Energiekosten aufgrund der verhängten Sanktionen extrem. Zudem zeichnete sich ab, dass die Materialverfügbarkeit sich verknappen würde und somit eine weitere Verteuerung zu erwarten sei. Aufgrund dessen entschied der Auftraggeber, das Leistungsverzeichnis neu zu bepreisen. Die im März 2022 erfolgte Kostenschätzung fiel um mehr als 50 Prozent höher aus als die aus dem November 2021. Über das Vergabeportal wurden die Bieter daher gebeten, die Auskömmlichkeit ihres Angebots schriftlich zu bestätigen. Nachdem die Antragstellerin dem nicht nachkam, kam ihr Angebot nicht in die engere Wahl mit der Begründung, es weise einen unangemessen niedrigen Preis auf. Die Antragstellerin rügte dies unter Verweis auf ein Ministerialschreiben des Landes Nordrhein-Westfalen vom 19.04.2022 sowie auf einen Erlass des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen vom 25.03.2022. Danach seien laufende Vergabeverfahren, bei denen noch kein Zuschlag erteilt worden sei, in den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen und mit Stoffpreisgleitklauseln zu versehen.
Nachdem der Auftraggeber der Rüge nicht abhalf, beantragte die Antragstellerin erfolgreich die Nachprüfung.
Aus den Gründen:
Zwar – so die Vergabekammer – könne die Antragstellerin nach § 160 Abs. 2 GWB keine Verletzung der Vorschriften aus dem Ministerialschreiben bzw. dem Erlass geltend machen. Denn ungeachtet ihres Inhalts entfalteten inneradministrativ wirkende Vorschriften wie Rundschreiben und Erlasse keine vergaberechtliche Relevanz in einem Nachprüfungsverfahren. Denn es handle sich um rein verwaltungsinterne Anweisungen, die allenfalls auf dem allgemeinen Verwaltungsrechtsweg überprüfbar seien.
Jedoch sei die zweite Kostenschätzung des Auftraggebers nicht geeignet, die Angemessenheit der Angebotspreise zu prüfen.
Bei der Beurteilung der Unangemessenheit eines Angebotspreises könne die Kostenschätzung des Auftraggebers herangezogen werden, wenn bei ihrer Aufstellung die vorliegenden und erkennbaren Daten vertretbar gewürdigt worden seien und die Schätzung des Auftragswertes der Tag sei, an dem die Auftragsbekanntmachung abgesendet oder das Vergabeverfahren auf sonstige Weise eingeleitet worden sei. Allerdings sei der Auftraggeber verpflichtet, die Kostenschätzung im laufenden Vergabeverfahren zu aktualisieren. Insbesondere bei einer langen Angebotsphase oder bei unvorhersehbaren Auswirkungen auf die Preise zeitigenden Ereignissen könne sonst die ursprüngliche Kostenschätzung kein belastbarer Indikator für sehr hohe oder niedrige Preise sein. Die Schätzung müsse vor
Eingang der Angebote durchgeführt worden sein, weil andernfalls erhebliches Missbrauchspotential bestünde, wenn der öffentliche Auftraggeber anhand einer nachträglich durchgeführten Kostenschätzung und mit dem Wissen um einzelne Angebotspreise „unliebsame“ Bieter leichter ausschließen könne.
Der Auftraggeber habe für die Prüfung, inwieweit das Angebot der Antragstellerin unangemessen niedrig sein könnte, eine Kostenschätzung herangezogen, die etwa zweieinhalb Wochen nach Angebotsabgabe erstellt worden sei. Bereits dieses Vorgehen ist nach Ansicht der Vergabekammer vergaberechtswidrig. Gerade der Umstand, dass zu Beginn des Konflikts Preissteigerungen wöchentlich, teils täglich zu verzeichnen gewesen seien, verdeutliche, warum die maßgebliche Kostenschätzung vor Angebotsabgabe erstellt sein müsse. Andernfalls sei eine realistische Bewertung der Angebotspreise nicht möglich.
Aber selbst wenn die vom Auftraggeber in Bezug genommene Kostenschätzung vergaberechtlichen Anforderungen entspräche, sei vorliegend die durchgeführte Preisprüfung und Preisaufklärung nicht vergaberechtskonform.
Könne nach Ansicht des Auftraggebers ein unangemessen niedriges Angebot vorliegen, müsse er in die Preisprüfung eintreten. Sei die Preisprüfung anhand der vorliegenden Unterlagen nicht durchführbar, müsse er gemäß § 16d Abs. 1 Nr. 2 EU VOB/A vom Bieter Aufklärung über die Preis- oder Kostenermittlung für die Gesamtleistung verlangen.
Weiche das günstigste vom zweitgünstigsten Angebot oder der Kostenschätzung um mindestens 20 Prozent ab (sog. prozentuale Aufgreifschwelle), indiziere dies einen unangemessen niedrigen Angebotspreis und verpflichte den Auftraggeber zur Aufklärung. Allerdings folge aus einer Differenz von über 20 Prozent nicht, dass ein Preis unangemessen und das Angebot zwingend auszuschließen sei. Vielmehr sei der Auftraggeber verpflichtet, in die Preisprüfung einzutreten und gegebenenfalls Erläuterungen beim Bieter einzuholen. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 EU VOB/A sei der Ausschluss eines Angebots erst nach erfolgter Aufklärung über die Ermittlung der Preise und Kosten für die Gesamtleistung oder für Teilleistungen möglich. Der EuGH habe klargestellt, dass den Bietern vor Angebotsausschluss wegen eines ungewöhnlich niedrigen Angebotspreises die Möglichkeit zur weiteren Erläuterung der Seriosität ihres Angebots gegeben werden müsse.
Vorliegend habe ausweislich der Vergabeunterlagen schon keine zureichende Preisprüfung des Angebots der Antragstellerin stattgefunden. So fänden sich in der Vergabeakte keine Angaben zu einer dezidierten Angebotspreisprüfung. Vielmehr werde der Eindruck erweckt, der Auftraggeber leite unmittelbar aus der Differenz zwischen Angebotspreis und Kostenschätzung ab, eine Preisaufklärung ohne vorangegangene Preisprüfung durchführen zu können.
Doch auch die durchgeführte Preisaufklärung erfülle nicht die vergaberechtlichen Anforderungen. Der Auftraggeber habe insoweit lediglich gefordert, dass die Bieter die Auskömmlichkeit ihrer Angebote bestätigen.
Zunächst weist die Vergabekammer darauf hin, dass aus der Unauskömmlichkeit eines Angebots nicht zwingend ein unangemessen niedriger Angebotspreis folgt oder Unauskömmlichkeit und Unangemessenheit gleichzusetzen sind.
So liege ein Angebot mit einem unangemessen niedrigen Preis vor, wenn es preislich deutlich vom marktüblichen Preisniveau abweiche. Demgegenüber sei ein Angebot unauskömmlich, wenn der betreffende Bieter damit keinen Gewinn erziele. Ein solches Angebot müsse aber nicht zwingend erheblich vom ermittelten marktüblichen Preisniveau abweichen. Bereits eine geringe Abweichung könne dazu führen, dass ein Gewinn ausbleibe und damit das Angebot insgesamt unauskömmlich, nicht aber unangemessen niedrig sei.
Eingedenk dieser Überlegungen erfülle die Abfrage der Auskömmlichkeitsbestätigung die Anforderungen an eine Preisaufklärung i. S. d. § 16d Abs. 1 Nr. 2 EU VOB/A nicht. Für den Auftraggeber sei es anhand der mitgeteilten Information, das jeweilige Angebot sei auskömmlich oder nicht auskömmlich, nicht möglich, die Angebotspreise auf Unangemessenheit zu prüfen. Der Auftraggeber lasse sich insoweit nicht die Preispositionen erörtern, sondern gehe schlicht von der unzutreffenden Annahme aus, dass eine erklärte Unauskömmlichkeit einer Unangemessenheit entsprechenden würde.
Unbeachtlich sei insoweit auch, dass die Antragstellerin ihre Auskömmlichkeit nicht erklärt habe. Wäre aufgrund einer vom Bieter erklärten Unauskömmlichkeit die Preisprüfung abgeschlossen mit dem Ergebnis, dass ein unangemessen niedriger Preis vorliegen würde, hätten Bieter nach Angebotsabgabe und während der festgelegten Bindefrist jederzeit die Möglichkeit, sich durch die Mitteilung der Unauskömmlichkeit ihres Angebots von diesem zu lösen. Dies widerspräche dem vergaberechtlichen Grundsatz, dass nur bis zum Ablauf der Angebotsfrist Angebote zurückgezogen werden können (vgl. § 10a Abs. 7 EU VOB/A).
Zudem bürde der Auftraggeber der Antragstellerin ein ungewöhnliches Wagnis auf und verletze somit das bieterschützende Gebot gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 EU VOB/A.
Einem Auftragnehmer dürfe kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss habe und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus abschätzen könne.
Nicht in den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Nr. 3 EU VOB/A fielen hingegen gewöhnliche Wagnisse, wie die Beschaffenheit und Finanzierbarkeit von Materialien oder Preis- und Kalkulationsrisiken, die dem Bieter in einem jeweiligen Marktsegment typischerweise obliegen. Erst wenn das aufgebürdete Wagnis über übliche Risiken hinausgehe, sich nicht abschätzen lasse und demzufolge eine Kalkulation unmöglich mache, könne gegen das Gebot des § 7 Abs. 1 Nr. 3 EU VOB/A verstoßen worden sein.
Unzumutbar sei eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation, wenn Preis- und Kalkulationsrisiken über das Maß, das Bietern typischerweise obliege, hinausgingen. § 7 Abs. 1 Nr. 3 EU VOB/A gelte nicht nur für die Leistungsbeschreibung, sondern allgemein für Vertragsverhandlungen und den Vertragsabschluss. Dazu zählten auch Risiken, die erst nach Zuschlagserteilung im Rahmen der Leistungserbringung entstünden, in den Vergabeunterlagen jedoch schon begründet seien. Denn die Regelung schütze den Auftragnehmer vor unangemessenen Vertragsbedingungen. Ob eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation daran gemessen unzumutbar sei, sei unter Abwägung aller Interessen der Bieter und des öffentlichen Auftraggebers im Einzelfall zu ermitteln.
Vorliegend ergebe eine Abwägung der beteiligten Interessen, dass der Antragstellerin eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation nicht zumutbar gewesen sei. Der fehlende kalkulatorische Ausgleich belaste die Antragstellerin mit Kalkulationsrisiken, die über das typischerweise einem Bieter obliegende Maß hinausgehen. Denn im Falle der Zuschlagserteilung müsse sie das Risiko von erheblichen Preissteigerungen infolge der Kampfhandlungen tragen, deren Umfang bei Angebotsabgabe nicht ermittelbar gewesen sei.
Zwar hätten zwischen Beginn der Kampfhandlungen und der Angebotsabgabe etwas weniger als sechs volle Arbeitstage gelegen, aber auch innerhalb dieser Zeit habe die Antragstellerin nicht vernünftig kalkulieren können. Denn die Preise für Baustoffe seien nicht unmittelbar mit dem Ausbruch der Kampfhandlungen „sprunghaft“ und „einmalig“ gestiegen, sondern infolge der Sanktionspakete und des Andauerns der Kampfhandlungen insgesamt stetig und in erheblichem Umfang. Zudem hätten die Preise in dieser Zeit kein Plateau erreicht, sondern in den Folgewochen immer neue „Höchstmarken“ erzielt.
Daher sehe der Erlass vor, dass Vergabeverfahren im Stand nach Angebotsöffnung in den Stand vor Angebotsabgabe zurückversetzt und mit einer Stoffgleitpreisklausel versehen werden. Zwar entfalte dieser Aspekt kein vergaberechtliches und nachprüfbares Gebot, jedoch spreche die Intention dahinter für das Vorliegen eines ungewöhnlichen Wagnisses.
Darüber hinaus zeige auch das Ergebnis der zweiten Kostenschätzung, dass in der Zeit zwischen Ausbruch der Kampfhandlungen und Ende der Angebotsfrist keine kaufmännisch vertretbaren Angebote, die die Preissteigerungen prognostizierten, erstellt werden konnten.
So heiße es im Vergabevermerk, dass die Materialverfügbarkeit sich verknappen werde und somit eine weitere Verteuerung zu erwarten sei. Damit bestätige auch der Auftraggeber, dass die Preissteigerungen nicht nur kurzfristig und von singulärer Natur, sondern längerfristig und stetig ausfallen. Auch dass der Auftraggeber einige Zeit nach Beginn der Kampfhandlungen eine weitere Kostenschätzung durchgeführt habe, die erheblich höher ausgefallen sei als die Kostenschätzung im November 2021, verdeutliche die erhebliche Preissteigerung infolge der Kampfhandlungen und Sanktionen, die nicht einmalig, sondern sprunghaft verlaufen sei.
Für die Kammer stehe daher fest, dass die Risiken der Preiskalkulation nicht mehr den typischen Wagnissen einer Angebotskalkulation entsprechen.
Das Interesse des Auftraggebers, an seinen Vergabeunterlagen festzuhalten und keinen kalkulatorischen Ausgleich zu schaffen, trete hinter dem Interesse der Antragstellerin an einer realistischen Angebotskalkulation zurück. Insbesondere sei es ihm möglich und zumutbar, dem Interesse der Antragstellerin an einer dem typischen Risiko unterliegenden Angebotskalkulation durch die Vereinbarung von Stoffpreisgleitklauseln Rechnung zu tragen.
Praktische Auswirkungen:
Die Entscheidung der Vergabekammer enthält hilfreiche Hinweise zur Nutzung der Kostenschätzung des Auftraggebers bei der Beurteilung der Unangemessenheit eines Angebotspreises. Danach darf er für die Prüfung, inwieweit ein Angebot unangemessen niedrig sein kann, seine eigene Schätzung heranziehen, wenn er den Auftragswert bis zum Tag der Einleitung des Vergabeverfahrens geschätzt hat. Er muss die Kostenschätzung im laufenden Vergabeverfahren, insbesondere bei einer langen Angebotsphase oder bei Ereignissen mit unvorhersehbaren Auswirkungen auf die Preise, jedoch aktualisieren. Die Nutzung einer Kostenschätzung, die der Auftraggeber erst nach Angebotsabgabe erstellt hat, ist vergaberechtswidrig.
Weicht das günstigste vom zweitgünstigsten Angebot oder der Kostenschätzung um mindestens 20 Prozent ab, darf der Auftraggeber daraus noch nicht schließen, dass ein Preis unangemessen und das Angebot zwingend auszuschließen ist. Vielmehr muss der Auftraggeber den Preis zunächst mit dem Bieter aufklären. Die Aufforderung an die Bieter, die Auskömmlichkeit ihrer Angebote zu bestätigen, ist keine Preisaufklärung.
Der Auftraggeber darf Bietern kein ungewöhnliches Wagnis auferlegen. Dieses liegt mit Blick auf eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation vor, wenn Preis- und Kalkulationsrisiken über das Maß, das Bietern typischerweise obliegt, hinausgehen, z. B. wenn der Bieter nach Zuschlagserteilung das Risiko von erheblichen Preissteigerungen tragen muss, deren Umfang bei Angebotsabgabe nicht ermittelbar gewesen seien.
(Quelle: VOBaktuell Heft IV/2022
Ass. jur. Anja Mundt)