Zum Umgang mit präqualifizierten und nicht präqualifizierten Bietern hinsichtlich der materiellen Anforderungen an die Eignung und deren Nachweis

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Zum Umgang mit präqualifizierten und nicht präqualifizierten Bietern hinsichtlich der materiellen Anforderungen an die Eignung und deren Nachweis
Beschluss der Vergabekammer Südbayern, 3194.Z3-3_01-23-61 vom 27. Februar 2024

Die inhaltlichen Anforderungen an die Eignung und die zu erbringenden Nachweise müssen für jeden Bieter grundsätzlich gleich sein, unabhängig davon, ob dieser präqualifiziert ist oder nicht.

Angesichts der weit verbreiteten Praxis öffentlicher Auftraggeber, bei präqualifizierten Bietern den Nachweis ihrer Eintragung in das Präqualifikationsverzeichnis als hinreichenden Nachweis ihrer Eignung genügen zu lassen, muss ein präqualifizierter Bieter nicht erkennen, dass er zum Nachweis seiner Eignung vergleichbare Nachweise wie ein nichtpräqualifizierter Bieter einreichen muss.

Dies gilt insbesondere dann, wenn in der Auftragsbekanntmachung hinsichtlich der Mindestanforderungen an die Eignung auf das Formblatt 124 verlinkt wird, das ausdrücklich als „Eigenerklärung zur Eignung für nicht präqualifizierte Bieter“ überschrieben ist und in den Bewerbungsbedingungen (Formblatt 212) ausdrücklich davon die Rede ist, dass präqualifizierte Unternehmen den Nachweis der Eignung für die zu vergebende Leistung durch den Eintrag ins Präqualifikationsverzeichnis führen.

Werden in einem Vergabeverfahren mehrere Fachgewerke zusammengefasst vergeben, darf nicht unklar bleiben, welche Leistungsbereiche die Präqualifikation eines Bieters umfassen muss und wie sich die Nachweisführung in jenen Fällen gestalten soll, in denen ein Bieter nur für einen Teil der einschlägigen Leistungsbereiche präqualifiziert ist.

Gegenstand des Verfahrens war der Umgang mit präqualifizierten und nicht präqualifizierten Bietern hinsichtlich der materiellen Anforderungen an die Eignung und deren Nachweis sowie die Frage, ob ein präqualifizierter Bieter auch dann erkennen muss, dass er vergleichbare Nachweise einreichen muss, wenn in den Vergabeunterlagen ausdrücklich davon die Rede ist, dass präqualifizierte Unternehmen den Nachweis der Eignung für die zu vergebende Leistung durch den Eintrag ins Präqualifikationsverzeichnis führen.

Sachverhalt:
Die Auftraggeberin schrieb Hochsicherheitstüren mit Hochsicherheitsschlössern für den Neubau einer Justizvollzugsanstalt EU-weit offen aus. In der Bekanntmachung verwies ein Hyperlink unmittelbar auf das Formblatt 124 des VHB Bayern. Das Formblatt trug den Titel „Eigenerklärung zur Eignung für nicht präqualifizierte Unternehmen“ mit dem Klammerzusatz „vom Bieter/Mitglied der Bietergemeinschaft sowie zugehörigen Nachunternehmen auszufüllen, soweit diese nicht präqualifiziert sind“. Weiterer Bestandteil der Vergabeunterlagen war u. a. das Formblatt 212 EU mit der Bezeichnung „Teilnahmebedingungen EU“. Dieses enthielt unter dem Titel „Eignung“ u. a. die Vorgabe: „Präqualifizierte Unternehmen führen den Nachweis der Eignung für die zu vergebende Leistung durch den Eintrag in die Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e. V. (Präqualifikationsverzeichnis), ggf. ergänzt durch geforderte auftragsspezifische Einzelnachweise. Nicht präqualifizierte Unternehmen haben als vorläufigen Nachweis der Eignung für die zu vergebende Leistung mit dem Angebot entweder die ausgefüllte ‚Eigenerklärung zur Eignung‘, ggf. ergänzt durch geforderte auftragsspezifische Einzelnachweise, oder eine Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE) vorzulegen.“

Sowohl Antragstellerin als auch Beigeladene reichten ein Angebot ein. Ausweislich des Submissionsprotokolls lag das Angebot der Beigeladenen preislich vor dem Angebot der Antragstellerin. Die Auftraggeberin beabsichtigte, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.

Die Antragstellerin hielt dies für vergaberechtswidrig. Die Beigeladene sei für den ausgeschriebenen Auftrag nicht leistungsfähig und daher nicht geeignet. Sie könne auch keine Referenzen für Hochsicherheitstüren mit Hochsicherheitsschlössern vorweisen. Welche Nachweise im Einzelfall von den Bietern vorzulegen seien, richte sich nach dem Inhalt der Bekanntmachung. Hier habe die Auftraggeberin in der Bekanntmachung auf das Formblatt 124 verwiesen.

Nachdem ihren Rügen nicht abgeholfen wurde, stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag.

Sie ergänzte ihr Rügevorbringen dahingehend, dass die Einsichtnahme in den Vergabevermerk ihre Rügen bestätigt habe, dass sich die Auftraggeberin bei ihrer Bewertung ausschließlich auf die Präqualifikationsangaben verlassen habe, ohne deren offensichtliche Inhalte für die Eignung der vorgesehenen Vergabe abzugleichen.

Die Vergabekammer wies die Beteiligten darauf hin, dass das Angebot der Beigeladenen ungeachtet ihrer infrage stehenden Eignung nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden könne, da die Gestaltung der Angebotsunterlagen (Formblätter 124 und 212) die Bieter dazu verleitet habe, zum Nachweis ihrer Eignung keine vergleichbaren Referenzen vorzulegen, sondern auf die im Präqualifizierungsverzeichnis hinterlegten Referenzen zu verweisen. Weil aber sowohl die Beigeladene als auch die Antragstellerin inzwischen über weitere, möglicherweise vergleichbare Referenzen verfügten, die sie allerdings nicht zum Nachweis ihrer Eignung vorgelegt hätten, sei nach vorläufiger Rechtsauffassung der Vergabekammer eine Zurückversetzung bis vor die Bekanntmachung und die Klarstellung der geforderten Nachweise erforderlich.

Die Auftraggeberin teilte der Vergabekammer sodann mit, dass sie das Verfahren in den Stand vor Bekanntmachung zurückversetzt habe. Die Zurückversetzung beruhe auf dem sachlichen Grund, dass mit der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf eine bloße Prüfung der PQ-Eintragungen von der Vergabestelle entgegen der Vorgabe des verlinkten Formblatts 124 nicht zur alleinigen Maßgabe für die Eignungsprüfung habe gemacht werden können. Die in der Bekanntmachung anzugebenden Eignungsanforderungen seien daher so zu fassen, dass die Eignung anhand der tatsächlich für die Bewältigung des ausgeschriebenen Vorhabens anzugebenden Belege geprüft werden könne.

Daraufhin beantragte die Antragstellerin die Aufhebung der Rückversetzung des Ausschreibungsverfahrens vor Bekanntmachung. Sie sei durch ein Rückversetzen in den Stand vor Bekanntmachung in ihrer Chance auf Zuschlagserteilung verletzt und es lägen keine Gründe für eine Rückversetzung vor. Der Wettbewerb sei nicht durch die Bekanntmachung, sondern durch die fehlende Prüfung der Eignung beeinträchtigt. Durch eine erneute Bekanntmachung oder eine Konkretisierung der Eignungsanforderungen ändere sich der Bieterkreis nicht.

Die Vergabekammer hat den Antrag der Antragstellerin auf Aufhebung der Rückversetzung des Vergabeverfahrens vor Bekanntmachung zurückgewiesen und das Nachprüfungsverfahren eingestellt.

Aus den Gründen:
Sie ist der Ansicht, durch die Zurückversetzung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens in den Stand vor der Auftragsbekanntmachung habe sich das Nachprüfungsverfahren in der Hauptsache erledigt.

Die Zurückversetzung sei auch wirksam, da sie zur Klarstellung der Eignungsanforderungen notwendig und damit sachlich gerechtfertigt sei.

In dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren sei unklar gewesen, ob und welche Nachweise präqualifizierte Bieter zum Beleg ihrer technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit einzureichen gehabt hätten.

Vorliegend habe die Auftraggeberin hinsichtlich der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit in der Auftragsbekanntmachung einen Link auf das Formblatt 124 des VHB Bayern – Stand September 2022 eingefügt. Die Praxis, Eignungsanforderungen mittels eines Direkt-Links auf ein Dokument der Vergabeunterlagen bekanntzugeben, aus dem sich die Eignungsanforderungen ergeben, sei nach der vergaberechtlichen Rechtsprechung grundsätzlich zulässig. Allerdings bestehe vorliegend die Besonderheit, dass sich das verlinkte Formblatt ausweislich seines Titels nur auf nicht präqualifizierte Unternehmen beziehe. Laut des Klammerzusatzes sei es vom Bieter nur auszufüllen, soweit dieser nicht präqualifiziert sei. In diesem Fall stelle sich die Frage, welche Eignungsanforderungen Bieter zu erfüllen gehabt haben, die eine einschlägige Präqualifikation aufwiesen.

Nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 08.06.2022 – VII Verg 19/22) müssten die inhaltlichen Anforderungen an die Eignung und ihre Nachweise für jeden Bieter gleich sein, unabhängig davon, ob dieser präqualifiziert sei oder nicht. Der in § 122 Abs. 3 GWB, § 6b EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A geregelte Nachweis der Eignung durch Teilnahme an einem Präqualifikationssystem setze Art. 64 RL 2014/24/EU um. Die Bestimmung diene dazu, den Verwaltungsaufwand zu verringern, der insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen durch die Führung des Eignungsnachweises entstehe. Die Teilnahme am Präqualifikationssystem bezwecke demnach eine Entlastung des Bieters von der Beibringung der Eignungsnachweise, nicht jedoch ihre Ersetzung. Die Erfüllung der Eignungskriterien müsse trotzdem grundsätzlich vom Bieter nachgewiesen werden. Dies gelte auch für einen im Präqualifikationsverzeichnis eingetragenen Bieter. Dieser sei nur insoweit privilegiert, als er von der Beibringung der geforderten Eignungsnachweise
entlastet und die inhaltliche Richtigkeit der hinterlegten Nachweise vermutet würde. Die inhaltlichen Anforderungen an die Eignungsnachweise gälten aber auch für ihn.

Wie sich aus Art. 64 Abs. 6 Unterabs. 1 Satz 1 RL 2014/24/ EU ergebe – so die Vergabekammer weiter – müssten die Nachweisanforderungen für die Eignungskriterien, auf die sich die Wirtschaftsteilnehmer für ihre Eintragung in das amtliche Verzeichnis berufen, u. a. die Anforderungen des Art. 60 RL 2014/24/EU erfüllen. Aus diesem Verweis in der
Regelung über amtliche Verzeichnisse zugelassener Wirtschaftsteilnehmer auf die außerhalb dieser Verzeichnisse zu erbringenden Nachweise an die Eignung ergebe sich, dass der EU-Gesetzgeber präqualifizierte und nicht präqualifizierte Bieter im Hinblick auf die jeweils zu erbringenden Eignungsnachweise grundsätzlich gleich behandelt wissen wolle.

Fraglich sei aber, ob präqualifizierte Bieter hier dem über die Auftragsbekanntmachung verlinkten Formblatt zur Eigenerklärung der Eignung mit der gebotenen Eindeutigkeit hätten entnehmen können, dass die in dem Formblatt enthaltenen Nachweisanforderungen auch für sie gelten sollten.

Der Erklärungswert der Vergabeunterlagen beurteile sich nach den für die Auslegung von Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB. Maßgeblich sei die objektive Sicht eines verständigen und fachkundigen Bieters, der mit der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung vertraut sei.

Im Zweifel dürften Bieter die Vergabeunterlagen so verstehen, dass sie den vergaberechtlichen Anforderungen entsprechen. Dies spreche dafür, dass präqualifizierte Bieter davon ausgehen konnten, dass ihre technische und berufliche Leistungsfähigkeit ebenso wie bei nicht präqualifizierten Bietern an dem im Formblatt 124 niedergelegten Maßstab gemessen würde. Ungeachtet dessen habe es früher in weiten Teilen der vergaberechtlichen Praxis öffentlicher Auftraggeber entsprochen, bei präqualifizierten Bietern den Nachweis ihrer Eintragung in das Präqualifikationsverzeichnis als hinreichenden Nachweis ihrer Eignung genügen zu lassen. Diese weitverbreitete, teilweise auch heute noch anzutreffende Praxis könne bei der Ermittlung des Verständnisses durchschnittlich erfahrener und mit Vergabeverfahren vertrauter Bieter nicht unberücksichtigt bleiben. Dass Bieter auch heute noch glauben, ihre Eintragung in das Präqualifikationsverzeichnis genüge als Nachweis ihrer Eignung, zeige sich an der Beigeladenen, die davon abgesehen habe, vor Angebotsabgabe die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Referenzen mit Blick auf den streitgegenständlichen Auftrag zu ergänzen, obwohl ihr das – wie sich im Nachhinein herausgestellt habe – möglich gewesen wäre.

Hinzu komme, dass sich auch die Vorgabe der Teilnahmebedingungen gemäß Formblatt 212 EU in diesem Sinne verstehen lasse. Danach führten präqualifizierte Unter nehmen den Nachweis der Eignung für die zu vergebende Leistung durch Eintrag ins Präqualifikationsverzeichnis und ggf. ergänzt durch geforderte auftragsspezifische Einzelnachweise. Demgegenüber hätten nicht präqualifizierte Unternehmen mit dem Angebot entweder die ausgefüllte „Eigenerklärung zur Eignung“, ggf. ergänzt durch geforderte auftragsspezifische Einzelnachweise oder eine Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE) vorzulegen. Diese Regelungssystematik, nach der der Nachweis der Eignung sowohl bei präqualifizierten Bietern als auch bei nicht präqualifizierten Bietern jeweils unter dem Vorbehalt gegebenenfalls geforderter auftragsspezifischer Einzelnachweise stehe, lasse sich durchaus so verstehen, dass der Eintrag in das Präqualifikationsverzeichnis der ausgefüllten Eigenerklärung zur Eignung gleichgestellt sein solle. Dies gelte jedenfalls in Fällen wie diesem, in denen der Auftraggeber neben dem Eintrag in das Präqualifikationsverzeichnis oder der ausgefüllten Eigenerklärung zur Eignung keine auftragsspezifischen Einzelnachweise gefordert habe.

Erschwerend für ein eindeutiges Verständnis der Vorgaben der Vergabeunterlagen komme hier hinzu, dass gänzlich unklar gewesen sei, welche Leistungsbereiche die Präqualifikation eines Bieters hätten umfassen müssen und wie sich die Nachweisführung in jenen Fällen gestalten sollte, in denen ein Bieter nur für einen Teil der einschlägigen Leistungsbereiche präqualifiziert sei. Auch diese Unklarheit gehe zulasten der Auftraggeberin. Hätte diese das Vergabeverfahren nicht von sich aus in den Stand vor Auftragsbekanntmachung zurückversetzt, hätte die Vergabekammer sie zur Klarstellung der zu erfüllenden Eignungsanforderungen verpflichten müssen, da nach § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB die Eignungskriterien bereits in der Auftragsbekanntmachung anzugeben seien. Damit bestünde aber im Ergebnis kein Zweifel, dass die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens durch die Auftraggeberin von einem sachlichen Grund getragen und damit wirksam sei.

Praktische Auswirkungen:
Die Entscheidung der Vergabekammer verdeutlicht, dass die inhaltlichen Anforderungen an die Eignung und deren Nachweise für präqualifizierte und nicht präqualifizierte Bieter gleich sein müssen. Auftraggeber sind daher gut beraten, entsprechende Anforderungen unmissverständlich und leicht erkennbar für die Bieter zu formulieren. Da die Präqualifikation nur den Nachweis der Eignung erleichtert, diese jedoch nicht ersetzt, muss jeder Bieter die Erfüllung der Eignungskriterien nachweisen. Präqualifizierte Bieter müssen zudem erkennen können, wenn sie darüberhinausgehende Nachweise ihrer Eignung für die konkrete Leistung vorlegen müssen.

(Quelle: VOBaktuell Heft III/2024
Ass. jur. Anja Mundt)