Wechsel in der Zuständigkeit des Auftraggebers für einen Vergabegegenstand kann Zuständigkeit der Vergabekammer ändern

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Wechsel in der Zuständigkeit des Auftraggebers für einen Vergabegegenstand kann Zuständigkeit der Vergabekammer ändern
Beschluss der Vergabekammer Rheinland-Pfalz – VK 2 – 2/21 vom 28. Januar 2021

Ändert sich die Zuständigkeit eines Auftraggebers für den Vergabegegenstand von der Bundesauftragsverwaltung in die bundesunmittelbare Zuständigkeit während eines anhängigen Nachprüfungsverfahrens, ändert sich auch die Zuständigkeit der Vergabekammer entsprechend.

Die Autobahn GmbH des Bundes ist zum 01.01.2021 im Rahmen der ihr zur Ausführung übertragenen Aufgaben in die Vergabe- und Gerichtsverfahren sowie sonstige Verfahren und Rechtspositionen eingetreten.

Für anhängige Nachprüfungsverfahren besteht daher keine Zuständigkeit einer Landesvergabekammer (mehr). Zuständig ist stattdessen die Vergabekammer des Bundes.

In der Entscheidung der Vergabekammer Rheinland-Pfalz ging es um den Wechsel in der Zuständigkeit der Vergabekammer während eines anhängigen Nachprüfungsverfahrens aufgrund der geänderten Zuständigkeit für den Vergabegegenstand von der Bundesauftragsverwaltung in die bundesunmittelbare Zuständigkeit der Autobahn GmbH.

Sachverhalt:
Das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch die als Vergabestelle handelnde Niederlassung des Landesbetriebs L. schrieb Instandsetzungsarbeiten an Sandsteinbögen einer Brücke europaweit im Offenen Verfahren aus. Nach der Bekanntmachung handelt es sich um einen Teil des Ausbaus der Bundesautobahn A X zwischen der Anschlussstelle Y und dem Autobahndreieck Z. Die Fahrspuren der Autobahn führen über diese Brücke. Einziges Vergabekriterium war der Preis. Das Angebot der Antragstellerin lag nach der Submission preislich deutlich über zwei weiteren Angeboten. Die Vergabestelle beabsichtigte, den Zuschlag auf das Angebot des erstplatzierten Bieters zu erteilen. Die Antragstellerin verlangte, die beiden vor ihr platzierten Angebote wegen unangemessen niedriger Preise von der weiteren Wertung auszuschließen. Die Vergabestelle informierte die Antragstellerin, dass die Aufklärung über die Preisermittlung nach § 16d EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A keine Anhaltspunkte für eine Unangemessenheit des Preises erkennen lassen habe und half der Rüge nicht ab.

Daraufhin beantragte die Antragstellerin die Nachprüfung durch die Vergabekammer Rheinland-Pfalz. Den Nachprüfungsantrag richtete sie gegen das Land Rheinland-Pfalz, weil der Landesbetrieb L. in der Rechtsform eines Landesbetriebs nach § 26 LHO Rheinland-Pfalz organisiert sei.

Die Autobahn GmbH des Bundes teilte daraufhin der Vergabekammer Rheinland-Pfalz mit, dass das Land Rheinland-Pfalz nicht mehr als Antragsgegner benannt werden könne. Seit dem 01.01.2021 würde das zugrundeliegende Vergabeverfahren nicht mehr durch das Land im Rahmen der Auftragsverwaltung für den Bund, sondern in bundesunmittelbarer Zuständigkeit der Autobahn GmbH geführt. Der Nachprüfungsantrag sei als unzulässig abzuweisen.

Die Vergabekammer wies darauf hin, dass nach ihrer Ansicht ein Fall der Bundesauftragsverwaltung sowie eine Zuständigkeit der Vergabekammer nach § 159 Abs. 2 Satz 1 GWB nicht mehr vorlägen und eine Verweisung an die Vergabekammer des Bundes in Betracht käme.

Die Antragstellerin beantragte die Verweisung des Nachprüfungsverfahrens an die Vergabekammer des Bundes und eine Berichtigung des Antragsgegners des Nachprüfungsverfahrens, nachdem das Land Rheinland-Pfalz dem zugestimmt hatte.

Dem entsprach die Vergabekammer in entsprechender Anwendung der § 83 VwGO, § 17a GVG, weil sie für die Entscheidung dieses Nachprüfungsverfahrens nicht mehr zuständig sei.

Aus den Gründen:
Das Vergabeverfahren werde nicht mehr durch das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den nach Landesrecht ehemals zuständigen Landesbetrieb L., im Rahmen der Auftragsverwaltung für den Bund geführt, sodass als öffentlicher Auftraggeber und Antragsgegner im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren dementsprechend nicht mehr das Land anzusehen sei.

Nach Art. 90 Abs. 2 S. 1 GG werde die Verwaltung der Bundesautobahnen in Bundesverwaltung geführt. Dabei könne sich der Bund zur Erledigung seiner Aufgaben einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen und das Nähere durch ein Bundesgesetz regeln (Art. 90 Abs. 2 S. 2 u. 5 GG). Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur habe die Planung, den Bau, den Betrieb, die Erhaltung, die Finanzierung und die vermögensmäßige Verwaltung von Bundesautobahnen, soweit es sich um Aufgaben des Bundes handle, zur Ausführung auf eine Gesellschaft privaten Rechts nach § 1 Abs. 1 InfrGG (Gesetz zur Errichtung einer Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und andere Bundesfernstraßen (Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetz)) übertragen.

Dieser sei gemäß § 5 Abs. 1 InfrGG ab dem 01.01.2021 die Ausführung von Aufgaben der Straßenbaulast i. S. d. § 3 Bundesfernstraßengesetz übertragen worden.

Nach § 10 Abs. 2 FernstrÜG (Gesetz zu Überleitungsregelungen zum Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetz und zum Fernstraßen-Bundesamt-Errichtungsgesetz sowie steuerliche Vorschriften (FernstraßenÜberleitungsgesetz)) sei die Autobahn GmbH des Bundes als die private Gesellschaft i. S. d. InfrGG zum 01.01.2021 im Rahmen der ihr zur Ausführung übertragenen Aufgaben in die Vergabe- und Gerichtsverfahren sowie sonstige Verfahren und Rechtspositionen eingetreten.

Mithin sei das Vergabeverfahren seit dem 01.01.2021 nicht mehr aufgrund einer Durchführung in Bundesauftragsverwaltung dem Land zuzurechnen, sondern werde als Teil der umfassenden Sanierung eines Autobahnabschnittes der A X durch die Autobahn GmbH des Bundes unmittelbar geführt.

Somit sei die Vergabekammer Rheinland-Pfalz nach § 159 Abs. 2 S. 1 GWB nicht (mehr) zuständig. Die Zuständigkeit der Vergabekammer des Bundes folge stattdessen aus §§ 156 Abs. 1, 159 Abs. 1 GWB. Maßgeblich für die Frage, wem der streitgegenständliche Auftrag i. S. d. § 156 Abs. 1 GWB zuzurechnen sei, sei die objektive Rechtslage, nicht unzutreffende oder unterlassene Angaben durch die Vergabestelle während des Verfahrens.

Praktische Auswirkungen:
Die aktuelle Entscheidung der Vergabekammer zeigt, dass ein Antrag auf Verweisung des Nachprüfungsverfahrens an die Vergabekammer des Bundes und eine Berichtigung des Antragsgegners des Nachprüfungsverfahrens genügen, um den Wechsel in der Zuständigkeit des Auftraggebers während des Vergabeverfahrens auch in anderen ähnlichen Verfahren zu „heilen“.

(Quelle: VOBaktuell Heft II/2021
Ass. jur. Anja Mundt)