Unbeauftragte, zwingend notwendige Bauleistungen sind zu vergüten

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Unbeauftragte, zwingend notwendige Bauleistungen sind zu vergüten
Urteil des Oberlandesgerichts Jena – 8 U 592/20 – vom 25. März 2021

Leitsätze:
Ein Anspruch auf Vergütung einer auftragslos erbrachten Leistung setzt voraus, dass ihre Ausführung (technisch) zwingend notwendig war. Lediglich zweckmäßige oder nützliche Zusatzleistungen sind nicht notwendig in diesem Sinne.

Notwendig ist eine Leistung auch dann, wenn der Auftraggeber diese selbst für erforderlich hält, aber eine Anordnung zu ihrer Ausführung unterlässt, um so vermeintlich einer Nachtragsvergütung zu entgehen.

Der mutmaßliche Wille des Auftraggebers beurteilt sich danach, was er bei objektiver Betrachtung vernünftigerweise entschieden hätte. Insoweit muss der Auftragnehmer den Willen des Auftraggebers vor Beginn der Ausführung mit zumutbarem Aufwand erforschen.

Sachverhalt:
Der klagende Bauunternehmer wurde von der beklagten Stadt im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung mit der Errichtung eines Busbahnhofs beauftragt. Der unter Einbeziehung der VOB/B geschlossene Vertrag sah vor, dass auf dem zu betonierenden Dach des Busbahnhofs ein Parkdeck errichtet werden sollte.

Nach Beginn der Bauarbeiten stellte sich heraus, dass der Baugrund im Bereich der Standfläche der Stützen nicht ausreichend tragfähig war. Im Rahmen einer Baustellenbesprechung wurde daher eine tiefere Auskofferung der Baugrube vereinbart. Diese Planungsänderung hatte jedoch Folgen, die den Beteiligten erst später klar wurden.

Die Klägerin konnte wegen der größeren zu überbrückenden Höhen keine Teleskopstützen einbauen, sondern musste Gerüsttürme verwenden. Daneben waren umfangreichere Tiefbauarbeiten erforderlich als ursprünglich geplant. Darüber hinaus musste zusätzlich eine Schalung sowie eine Sauberkeitsschicht hergestellt werden.

Für diesen Mehraufwand machte die Klägerin im Rahmen eines Nachtrags eine entsprechende Zusatzvergütung geltend. Die Beklagte verweigerte die Zahlung und wendete ein, dass sie die Maßnahmen im Wesentlichen nicht beauftragt habe. Aufgrund ausbleibender Zahlung zeigte die Klägerin zunächst Behinderung an und kündigte schließlich den Bauvertrag aus wichtigem Grund.

Das Landgericht hat die Beklagte erstinstanzlich teilweise verurteilt und insbesondere Vergütungsansprüche der Klägerin für Zusatzarbeiten festgestellt. Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt.

Aus den Gründen:
Das Oberlandesgericht Jena hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, da der Klägerin seiner Auffassung nach ein Vergütungsanspruch aus § 2 Abs. 8 Nr. 2 S. 2 VOB/B zusteht.

Nach dieser Vorschrift stehe dem Auftragnehmer eine Vergütung auch für solche Leistungen zu, die ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abweichung vom Auftrag ausgeführt werden, wenn der Auftraggeber diese nachträglich anerkennt oder sie zur Erfüllung des Vertrages notwendig waren, dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers entsprachen und sie diesem unverzüglich angezeigt wurden.

Dabei müsse die Leistung nach § 2 Abs. 8 Nr. 2 S. 2 VOB/B nicht nur im Interesse des Bestellers liegen, sondern notwendig sein, d. h., ohne ihre Ausführung müsse die Leistung nicht ordnungsgemäß, also mangelhaft und vertragswidrig sein. Lediglich rein zweckmäßige oder nützliche Zusatzleistungen, die nicht notwendig (im Sinne von für den auch insoweit maßgeblichen „funktionalen“ Werkerfolg nicht erforderlich) seien, genügten hingegen nicht. Notwendig sei eine Leistung auch dann, wenn der Auftraggeber selbst diese für erforderlich halte, aber eine Anordnung zu ihrer Ausführung unterlasse, um so vermeintlich einer Nachtragsvergütung zu entgehen.

Die Notwendigkeit der Maßnahme sei aus einer ex-ante-Betrachtung zu beurteilen. Vorliegend seien sich die Beteiligten im Ergebnis über die technische Notwendigkeit einig gewesen. Eine alternative Ausführung sei nicht in Betracht gekommen. Im vorliegenden Fall seien die Leistungen technisch erforderlich und damit notwendig gewesen.

Ungeachtet dessen hätten die Zusatzleistungen auch dem mutmaßlichen Willen der Beklagten entsprochen, da die Leistung hier technisch notwendig im vorgenannten Sinne sei.

Auch der Anzeigepflicht sei die Klägerin nachgekommen. Dies erfordere eine rechtzeitige Information des Auftraggebers nebst Beschreibung der auftragslosen Leistungen nach Art und Umfang, damit der Auftraggeber die Möglichkeit habe, eine günstigere Alternative zu eruieren. Angaben zur Höhe der Vergütung seien hingegen nicht erforderlich. Der Auftragnehmer müsse lediglich deutlich machen, dass es sich nicht um unentgeltliche Leistungen handele. Dies alles liege hier vor.

Auf Finanzierungsprobleme könne sich die Beklagte nicht berufen. Diese seien zwar bei der Beurteilung des mutmaßlichen Willens zu berücksichtigen, jedoch habe die Beklagte der gewählten Variante jedenfalls grundsätzlich zugestimmt und dabei lediglich die erforderlichen Gerüsttürme nicht in ihre Überlegungen einbezogen. Zudem hätten sich der Klägerin auch keine Anhaltspunkte für etwaige Finanzierungsprobleme aufgedrängt, sodass sie nicht zur Erteilung eines entsprechenden Hinweises verpflichtet gewesen sei.

Das Verwenden der Gerüsttürme stelle eine Folge der Auskofferung dar. Ebenso die Tiefergründung der Schalenabstützung als alternativlose Voraussetzung für die Herstellung des Parkdecks. Insgesamt bestünden somit entsprechende Mehrvergütungsansprüche sowie auch Ansprüche aus einer damit zusammenhängenden Baubehinderung.

(Quelle: VOBaktuell Heft I/2022
RA Dr. Philipp Mesenburg)