Keine Mängelbeseitigung bei fehlender Bauhandwerkersicherung

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Keine Mängelbeseitigung bei fehlender Bauhandwerkersicherung
Urteil des OLG Schleswig − 12 U 75/23 − vom 24.07.2024

Orientierungssatz:
Ein Auftragnehmer kann grundsätzlich auch noch dann vom Auftraggeber eine Bauhandwerkersicherung verlangen, wenn er noch Mängelbeseitigungsmaßnahmen vorzunehmen hat. Wird die Sicherheit nicht gestellt, so ist der Auftragnehmer berechtigt, die Mängelbeseitigung zu verweigern.

Das OLG Schleswig hat entschieden, dass ein Auftragnehmer grundsätzlich auch dann ein Leistungsverweigerungsrecht bei fehlender Stellung einer Bauhandwerkersicherung durch den Auftraggeber hat, wenn er nur noch Mängelbeseitigungsmaßnahmen vorzunehmen hat.

Sachverhalt
Der Beklagte wandte sich an die Klägerin für ein Angebot zur Herstellung von Betonflächen im Garten seines Hausgrundstücks, das am 27.05.2019 angenommen wurde. Das Auftragsvolumen betrug insgesamt 31.561,62 EUR.

Die Klägerin stellte nach Beginn ihrer Arbeiten Abschlagsrechnungen an den Beklagten. Die erste Abschlagsrechnung in Höhe von 15.924,83 EUR beglich der Beklagte. Auf die zweite Abschlagszahlung in Höhe von 13.970,79 EUR erfolgte keine Zahlung des Beklagten.

Die Klägerin erstellte den Beton in Grau und beschichtete die Oberseite dunkel. Nach der Fertigstellung der Betonflächen Ende Juni bzw. Anfang Juli 2019 sprach der Beklagte die Klägerin darauf an, dass die Betonflächen fleckig seien. Ein Mitarbeiter der Klägerin entsandte daraufhin einen Mitarbeiter, der feststellte, dass ihm eine Beseitigung der Flecke durch eine Reinigung nicht möglich war. Am 27.08.2019 beanstandete der Beklagte, dass ihm gestrichener Beton geliefert worden sei, obwohl er durchgefärbten Beton bestellt habe.

Mit Schreiben vom 27.08.2019 forderte die Klägerin von dem Beklagten, die Zahlung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650 f BGB in Höhe von 17.200,46 EUR bis zum 06.09.2019 zu leisten. Als keine Sicherung durch den Beklagten gestellt wurde, kündigte die Klägerin am 09.09.2019 den Vertrag und übersandte zugleich ihre Schlussrechnung vom 07.09.2019. Ein vom Beklagten beauftragter Privatgutachter fertigte am 12.12.2019 ein Gutachten und stellte darin fest, dass die Betonfläche im Außenbereich nicht fachgerecht erstellt worden ist.

Das Gutachten vom 12.12.2019 wurde der Klägerin mit Schreiben vom 13.12.2019 und der Aufforderung übersandt, die Beseitigung der darin benannten Mängel zu erklären. Eine solche Erklärung oder eine Mangelbeseitigung der Klägerin erfolgte nicht. Mit weiterem Schreiben vom 16.03.2020 forderte der Beklagte die Klägerin erneut zur Mangelbeseitigung unter Fristsetzung bis zum 05.04.2020 auf. Die Beklagte ließ die Frist fruchtlos verstreichen. Eine Abnahme des Gewerks erfolgte nicht.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten die Zahlung des offenen Schlussrechnungsbetrages zuzüglich des Betrages der zweiten Abschlagsrechnung. Der Beklagte begehrt mit seiner Widerklage die Zahlung eines Kostenvorschusses zur Herstellung von Betonflächen mit durchgefärbtem Beton.

Das Landgericht hat der Klage auf Werklohnzahlung stattgegeben und die Widerklage auf Vorschusszahlung abgewiesen.

Aus den Gründen
Die zulässige Berufung hat in der Sache nur zum Teil Erfolg.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von restlichem Werklohn in Höhe von 13.970,79 EUR aus § 631 BGB nicht zu. Es lag zwar ein Abrechnungsverhältnis vor und die entsprechende Werklohnforderung, welche das Landgericht zutreffend in der genannten Höhe ermittelt hat, ist fällig. Denn der Vertrag wurde von der Klägerin mit Schreiben vom 06.12.2022 gekündigt, nachdem vom Beklagten die mit Anerkenntnisurteil vom 17.10.2022 titulierte Sicherheitsleistung, welche mit Schreiben vom 04.11.2022 
angefordert wurde, bis zu diesem Zeitpunkt nicht erbracht wurde.

Die Klägerin war auch berechtigt, den Vertrag nach erneuter erfolgloser Fristsetzung zur Sicherheitsleistung zu kündigen, wodurch das Nacherfüllungsstadium beendet wurde, mit der Folge, dass der Vergütungsanspruch für die erbrachten Leistungen fällig wurde. Ein Unternehmer kann grundsätzlich auch noch dann Sicherheit verlangen, wenn er noch Mängelbeseitigungsmaßnahmen vorzunehmen hat. Wird die Sicherheit nicht gestellt, so ist der Unternehmer berechtigt, die Mängelbeseitigung zu verweigern. Das Sicherungsbedürfnis ist insofern so lange schutzbedürftig, wie durch Nacherfüllung ein unverminderter Vergütungsanspruch verdient werden kann. Nachdem der Unternehmer insofern erfolglos eine angemessene Frist gesetzt hat, ist er zur Kündigung nach § 650 f Abs. 5 BGB berechtigt.

Nach Beendigung des Nacherfüllungsstadiums besteht der Vergütungsanspruch des Unternehmers jedoch nur, soweit die Leistung erfüllt, das heißt mangelfrei erbracht wurde; somit unter Berücksichtigung etwaig vorhandener Mängel. Ist die Leistung in Teilen mangelhaft, so hat der Unternehmer nur Anspruch auf die um den Minderwert aufgrund der Mängel gekürzte Vergütung. Dieser Minderwert ist, in Ansehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Schadensersatz, zu ermitteln anhand der auf die mangelhaften Leistungen anteilig entfallenden Vergütung, welche gemäß § 287 ZPO zu schätzen ist.

Aufgrund der Feststellungen des Landgerichts steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass durch die Klägerin insgesamt eine mangelhafte Leistung erbracht wurde. Vor diesem Hintergrund besteht der geltend gemachte restliche Vergütungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten nicht mehr.

Der Beklagte kann widerklagend von der Klägerin nicht den geltend gemachten Vorschuss zur Mängelbeseitigung verlangen. Durch die zweite Kündigung der Klägerin ist das Nacherfüllungsstadium beendet worden, sodass eine Nacherfüllung und folglich auch ein Vorschuss zur Mängelbeseitigung, mit dem sich dieser Anspruch fortsetzt, von den Beklagten nicht mehr verlangt werden kann. Insofern wird etwaigen Mängeln durch die Minderung der Vergütung Rechnung getragen.

Anmerkung
Auch im Stadium der Mängelbeseitigung kann ein Auftragnehmer vom Auftraggeber grundsätzlich eine Bauhandwerkersicherung verlangen. Kommt der Auftraggeber seiner Verpflichtung auf Stellung der Sicherheit nicht nach, so ist der Auftragnehmer berechtigt, die Mängelbeseitigung zu verweigern. Das OLG Schleswig stellt klar, dass das Sicherungsbedürfnis des Auftragnehmers so lange schutzbedürftig ist, wie durch Nacherfüllung ein unverminderter Vergütungsanspruch verdient werden kann. Nach § 650 f Abs. 5 BGB ist der Auftragnehmer sogar nach Setzung einer erfolglosen angemessenen Frist zur Sicherheitsleistung dazu berechtigt, den Bauvertrag zu kündigen. Eine wirksame Kündigung der Klägerin lag im vorliegenden Fall mangels angemessener Frist nicht bereits am 09.09.2019 vor, sondern erst bei ihrer zweiten Kündigung. Nach Beendigung des Nacherfüllungsstadiums besteht der Vergütungsanspruch des Auftraggebers dann jedoch nur, soweit die Leistung mangelfrei erbracht worden ist. Wurde die Leistung hingegen mangelhaft erbracht, ist die Vergütung um den Minderwert aufgrund der Mängel zu kürzen.

(Quelle: VOBaktuell Heft IV/2024
RA Dr. Philipp Mesenburg / RA Christian Schostag)