Keine erneute Nachreichung „passenderer“ Unterlagen innerhalb der Nachreichungsfrist
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Keine erneute Nachreichung „passenderer“ Unterlagen innerhalb der Nachreichungsfrist
Beschluss der Vergabekammer des Bundes – VK 1 – 23/22 vom 11. März 2022
Auch wenn die vom Auftraggeber für die Nachreichung von Unterlagen gesetzte Frist noch nicht abgelaufen ist, kann der Bieter keine weiteren Unterlagen einreichen, wenn er bereits Unterlagen eingereicht hat und diese vom Auftraggeber geprüft wurden.
Spätestens mit Prüfung der nachgereichten Unterlagen endet die vom Auftraggeber gesetzte Nachforderungsfrist.
Gibt ein Bieter innerhalb der vom Auftraggeber gesetzten Nachfrist Unterlagen ab und erklärt damit, der Nachforderungsaufforderung nachzukommen, geht diese Erklärung dem Auftraggeber unmittelbar zu und darf von diesem inhaltlich gewürdigt werden.
Ein Bieter darf nur dann auf eigene Initiative fehlende Unterlagen nachreichen, wenn der Auftraggeber ihn hierzu hätte auffordern müssen.
Die Vergabekammer des Bundes hatte über die Frage zu entscheiden, ob nachzureichende Referenzen innerhalb der Nachreichungsfrist erneut nachgereicht werden dürfen.
Sachverhalt:
Im Rahmen eines EU-weiten offenen Verfahrens zur Vergabe von Putz- und Stuckarbeiten war in der EU-Bekanntmachung zum Beleg der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit u. a. vorgesehen, dass die Bieter dem Angebot mindestens drei geeignete Referenzen über Putz- und Stuckarbeiten beifügen müssen, deren Leistungsende nicht vor Dezember 2016 liegen durfte. Die Beigeladene legte mehr als drei Referenzen vor, die den Mindestanforderungen i. S. d. EU-Bekanntmachung entsprachen. Da dem Angebot der Antragstellerin keine Referenzen beigefügt waren, forderte die Auftraggeberin diese auf, bis spätestens 1. Februar 2022 drei Referenzen entsprechend den Mindestanforderungen der Ausschreibung nachzureichen.
Am 28. Januar 2022 legte die Antragstellerin neun Referenzen vor, von denen eine o. g. Mindestanforderung erfüllte. Nachdem die Auftraggeberin die Antragstellerin darauf hingewiesen hatte, dass die Referenzen bis auf eine zu alt seien, übermittelte die Antragstellerin innerhalb der Nachreichungsfrist sechs weitere Bescheinigungen über Referenzaufträge, die erst nach Dezember 2016 endeten.
Daraufhin teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin mit, dass nachgereichte Referenzen nicht ein zweites Mal erneut nachgereicht werden könnten und sie die aktuelleren Referenzen nicht mehr berücksichtigen dürfe. Nachdem die Auftraggeberin der Rüge der Antragstellerin, sie habe versehentlich eine ältere Datei versandt und innerhalb des von der Auftraggeberin geforderten Zeitraums neue Referenzen übermittelt, nicht abhalf, beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.
Die Vergabekammer hält den Nachprüfungsantrag für zulässig, aber unbegründet.
Aus den Gründen:
Die Auftraggeberin habe die Antragstellerin zu Recht mangels Eignung gemäß §§ 6, 16b EU VOB/A ausgeschlossen, weil diese die zulässigerweise und wirksam gestellten Anforderungen an die technische Leistungsfähigkeit nicht erfüllt habe.
Nachdem die Antragstellerin die Referenzen für einen bestimmten Leistungszeitraum nicht mit ihrem Angebot vorgelegt habe, habe die Auftraggeberin sie gemäß § 16a EU VOB/A aufgefordert, die Referenzen bis zum 1. Februar 2022 nachzureichen. Durch die am 28. Januar 2022 nachgereichten neun Referenzen habe die Antragstellerin ihr Angebot vervollständigt. Allerdings habe von diesen neun Referenzen nur eine einzige der wirksam festgelegten Mindestanforderung entsprochen, dass das Leistungsende nicht früher als 12/2016 liege. Dies erfülle die Eignungskriterien, nach denen drei derartige Referenzen vorzulegen gewesen seien, nicht.
Die weiteren, von der Antragstellerin später, aber noch innerhalb der Nachreichungsfrist vorgelegten Referenzen habe die Auftraggeberin nicht berücksichtigen dürfen, auch wenn diese den Mindestanforderungen an den Leistungszeitraum und an die Mindestanzahl geeigneter Referenzen entsprochen hätten.
Denn die Antragstellerin habe durch die Vorlage ihrer neun Referenzen am 28. Januar 2022 ihr Angebot bereits in formaler Hinsicht ausreichend vervollständigt. Der Nachforderungsvorgang sei damit am 28. Januar 2022 durch die nachgereichten Referenzen bzw. spätestens durch die Prüfung dieser Referenzen auf deren inhaltliche Richtigkeit hin abgeschlossen worden. Damit habe auch die bis zum 1. Februar 2022 gesetzte Nachforderungsfrist geendet. Dass die Antragstellerin diese nicht bis zum Ende ausgeschöpft habe, obwohl sie dazu ohne Weiteres berechtigt gewesen wäre, sondern ihr bereits einige Tage zuvor nachgekommen sei, sei allein auf ihr Handeln zurückzuführen. Auch sei der Auftraggeberin nicht anzulasten, dass sie die nachgereichten Referenzen bereits innerhalb weniger Tage geprüft habe. In dieser Vorgehensweise der Auftraggeberin liege keine unzulässige Benachteiligung der Antragstellerin. Im Gegenteil würden andere Bieter benachteiligt, die – so wie die Beigeladene bereits mit ihrem Angebot – die Vorgaben an die Vorlage ausschreibungskonformer Referenzen fristgerecht erfüllt haben, wenn der Antragstellerin gestattet worden wäre, auch nach Prüfung der vorgelegten Referenzen durch die Auftraggeberin mehrfach weitere Referenzen vorzulegen.
Die vorliegende Konstellation sei nicht mit dem Fall vergleichbar, in dem ein Auftraggeber mehrere unvollständige Unterlagen innerhalb einer bestimmten Frist nachfordere. Soweit es sich um unterschiedliche Unterlagen handle (z. B. Umsatzangaben, Handelsregisterauszug), liege tatsächlich nicht ein einzelnes, sondern mehrere Nachforderungsverlangen vor, für die lediglich dieselbe Vorlagefrist laufe. Erfülle ein Bieter zunächst eines dieser Vorlageverlangen (z. B. bzgl. der Umsatzangaben), sei nur dieses erledigt und die weiteren Aufforderungen, z. B. für den Handelsregisterauszug, dauerten an. Im vorliegenden Fall jedoch gehe es um dieselben Unterlagen, nämlich mehrere fehlende Referenzen.
Zudem sei die Antragstellerin auch sonst nicht berechtigt gewesen, nach der ersten Vorlage am 28. Januar 2022 am 31. Januar 2022 weitere Referenzen vorzulegen. In offenen Verfahren wie hier seien Kontakte zwischen Auftraggeber und Bieter nach Angebotsöffnung aus Gründen der Transparenz und Gleichbehandlung der Bieter grundsätzlich verboten und nur in geringem Umfang ausnahmsweise zulässig. Die Ausnahmen von diesem Kontaktaufnahmeverbot beträfen ausschließlich den Fall, dass der Auftraggeber anlassbezogen auf einen Bieter zugehe, vgl. § 15 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A zur Aufklärung von Angeboten, § 16a EU Abs. 1, 2 VOB/A zur Nachforderung fehlender Unterlagen. Ein unaufgeforderter Kontakt des Bieters mit dem Auftraggeber sei demgegenüber – abgesehen von einfachen Nachfragen nach dem Sachstand des Vergabeverfahrens – nicht vorgesehen. Dementsprechend dürfe ein Bieter auch nur dann von sich aus z. B. fehlende Unterlagen nachreichen, wenn der Auftraggeber ihn hierzu hätte auffordern müssen, weil der Bieter hierdurch der zulässigen Aufforderung des Auftraggebers durch sein Verhalten lediglich zuvorkomme. Vorliegend habe die Auftraggeberin die Antragstellerin jedoch kein weiteres Mal zur Nachreichung von Referenzen auffordern dürfen, nachdem sie die ersten von der Antragstellerin am 28. Januar 2022 vorgelegten Referenzen inhaltlich geprüft und für unzureichend erachtet hatte. Ein Nachfordern wäre nur bei fehlenden Unterlagen möglich gewesen, nicht jedoch, wenn die Unterlagen wie hier inhaltlich nicht passten. Jede weitere Vorlage „passenderer“ Referenzen wäre eine vergaberechtlich unzulässige Nachbesserung des Angebots gewesen, die den Grundsätzen von Gleichbehandlung und Transparenz widerspräche.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus einer Analogie zur Angebotsfrist. Zwar dürfe ein Bieter sein Angebot bis zum Ablauf der Angebotsfrist zurückziehen oder ergänzen (vgl. § 10a EU Abs. 7 VOB/A), allerdings dürfe der Auftraggeber die Angebote ohnehin erst nach Ablauf der Angebotsfrist öffnen (§ 14 EU Abs. 1 S. 1 VOB/A). Zugegangen i. S. d. § 130 Abs. 1 BGB sei ein Angebot im Vergabeverfahren mithin erst mit dessen Öffnung, jedoch nicht bereits mit dem Eingang beim Auftraggeber, weil das Angebot zwar in den Machtbereich des Auftraggebers gelangt sei, er aber von dessen Inhalt erst mit Ablauf der Angebotsfrist habe Kenntnis nehmen dürfen.
Vergleichbare Vorgaben für nachgeforderte bzw. nachgereichte fehlende Angebotsunterlagen und die Kenntnisnahme des Auftraggebers hiervon gebe es nicht. Gebe ein Bieter also innerhalb der vom Auftraggeber gesetzten Nachfrist Unterlagen ab und erkläre damit, der Nachreichungsaufforderung nachzukommen, gehe diese Erklärung dem Auftraggeber gemäß § 130 Abs. 1 BGB unmittelbar zu und dürfe, wie vorliegend, von diesem zu Kenntnis genommen und inhaltlich gewürdigt werden. Die Vorschriften über den Zugang von Willenserklärungen seien hier anwendbar, denn bei der Vorlage der nachgeforderten Unterlagen, die für die Angebotswertung relevant seien, handle es sich um eine Willenserklärung, weil die Vorlage auf einen bestimmten rechtlichen Erfolg gerichtet sei, indem die Antragstellerin auf diese Weise ihr Angebot vervollständigen und damit ihre Eignung habe belegen wollen, um mit der Auftraggeberin – im Zuschlagsfall – den ausgeschriebenen Vertrag schließen zu können.
Praktische Auswirkungen:
Die Vergabekammer stellt klar, dass ein Bieter auf Nachforderung des Auftraggebers nicht zunächst inhaltlich unzureichende Unterlagen – hier Referenzen – einreichen und innerhalb der ursprünglichen Nachforderungsfrist dann ein weiteres Mal „passendere“ Unterlagen nachreichen darf, die die Anforderungen erfüllen. Für Auftraggeber bedeutet dies, dass sie erneut eingereichte „passendere“ Unterlagen wegen des Verbotes inhaltlicher Nachbesserungen innerhalb der noch laufenden Nachforderungsfrist nicht berücksichtigen dürfen und für Auftragnehmer, dass sie – auch wenn die Nachforderungsfrist noch nicht abgelaufen ist – bereits im ersten Anlauf die inhaltlich passenden Unterlagen nachreichen müssen.
(Quelle: VOBaktuell Heft IV/2022
Ass. jur. Anja Mundt)