Keine Anordnung bei verzögerungsbedingter Anpassung von Bauablaufplänen
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Keine Anordnung bei verzögerungsbedingter Anpassung von Bauablaufplänen
Urteil des BGH – VII ZR 10/24 – vom 19. September 2024
Leitsätze:
1. Eine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B erfordert eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers, mit der einseitig eine Änderung der Vertragspflichten des Auftragnehmers herbeigeführt werden soll.
2. Ob ein Verhalten oder eine Erklärung des Auftraggebers als Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B auszulegen ist, beurteilt sich nach §§ 133, 157 BGB.
Liegt eine Störung des Vertrags aufgrund einer Behinderung vor, die faktisch zu einer Bauzeitverzögerung führt, und teilt der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Behinderungstatbestand und die hieraus resultierende Konsequenz mit, dass die Leistungen derzeit nicht erbracht werden können, liegt nach diesem Maßstab keine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B vor.
Auch die Übermittlung von Bauablaufplänen stellt keine Anordnung des Auftraggebers im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B dar, wenn mit ihnen lediglich auf behinderungsbedingte Störungen des Vertrags reagiert wird. Dies gilt auch, wenn darin im Hinblick auf die Behinderungen und die deshalb gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B verlängerten Ausführungsfristen zeitliche Konkretisierungen erfolgen.
3. Der Schadensersatzanspruch des Auftragnehmers nach § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B setzt voraus, dass die Bauzeitverzögerung adäquat-kausal durch hindernde Umstände verursacht worden ist, die auf der Verletzung einer vertraglichen Pflicht durch den Auftraggeber beruhen. Umstände aus der Risikosphäre des Auftraggebers, die nicht auf einer Pflichtverletzung beruhen, genügen nicht als Voraussetzung dieses Anspruchs.
Der BGH hat entschieden, dass im Falle einer Bauzeitverzögerung keine Anordnung i. S. des § 2 Abs. 5 VOB/B vorliegt, wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Behinderungstatbestand und die hieraus resultierende Konsequenz mitteilt, dass die Leistungen derzeit nicht erbracht werden können. Dies gilt auch bei Übermittlung von Bauablaufplänen, wenn mit ihnen lediglich auf behinderungsbedingte Störungen des Vertrags reagiert wird.
Sachverhalt
Die Klägerin verlangte von dem Beklagten Zahlung in Höhe von 56.729,59 € wegen einer Bauzeitverlängerung.
Der Beklagte beauftragte die Klägerin nach öffentlicher Ausschreibung im Juni 2018 unter Einbeziehung der VOB/B (2016) mit Leistungen eines bestimmten Gewerks. In den Besonderen Vertragsbedingungen des Beklagten, die Teil der Ausschreibungsunterlagen waren, waren ein Ausführungsbeginn am 19. Juni 2018 und eine abnahmereife Fertigstellung der Arbeiten der Klägerin am 10. Januar 2019 vorgesehen.
Anfang Juli 2018 meldete die Klägerin erstmals eine Baubehinderung wegen fehlender Ausführungsplanung des Beklagten an. Nach Übergabe von Ausführungsplänen am 23. Juli 2018 sowie am 15. August 2018 begann die Klägerin in Teilbereichen mit der Ausführung ihrer Leistungen. Am 23. August 2018 übergab der Beklagte der Klägerin einen Bauablaufplan, der den Bauablauf ab dem 28. August 2018 abbilden und Grundlage für die weitere Bauausführung der beteiligten Gewerke sein sollte. Der Bauablaufplan sah vor, dass die Leistungen der Klägerin nur in Teilbereichen begonnen und sodann nacheinander in den verschiedenen Leistungsbereichen ausgeführt werden sollten. Wesentliche Leistungen waren danach erst im Jahr 2019 zu erbringen, wobei die Abnahme für den 17. September 2019 geplant war.
Am 31. Januar 2019 übermittelte der Beklagte der Klägerin einen korrigierten Bauablaufplan für die weitere Bauausführung; dieser sah nunmehr eine Verschiebung der Abnahme der klägerischen Arbeiten auf den 29. Oktober 2019 vor. In der Zeit von Oktober 2018 bis Juni 2019 zeigte die Klägerin weitere fünf Behinderungen an, die sie mit unvollständigen Ausführungsplänen des Beklagten und fehlenden Vorunternehmerleistungen begründete.
Nach Abnahme der klägerischen Arbeiten im November 2019 stellte die Klägerin unter dem 27. Juli 2020 ihre Schlussrechnung, mit der sie unter anderem Mehrkosten in Höhe von insgesamt 56.729,59 € für Personal und Baucontainer wegen Verlängerung der Bauzeit und wegen gestiegener Tariflöhne ab dem Jahr 2019 geltend machte. Der Beklagte beglich diesen Betrag nicht.
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 56.729,59 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.
Aus den Gründen
Die Revision der Klägerin habe keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht habe einen Mehrvergütungsanspruch der Klägerin gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B wegen Verlängerung der Bauzeit zu Recht verneint. Es habe rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Übermittlung der Bauablaufpläne am 23. August 2018 und am 31. Januar 2019 an die Klägerin keine Anordnung des Beklagten im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B darstelle.
Gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B sei für den Fall, dass durch Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert werden, ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. Komme eine solche Vereinbarung nicht zustande, könne der Auftragnehmer den sich aus § 2 Abs. 5 VOB/B ergebenden Vergütungsanspruch im Wege der Klage geltend machen. Voraussetzung für einen Mehrvergütungsanspruch gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B sei danach eine Anordnung des Auftraggebers zur Änderung des Bauentwurfs oder eine andere Anordnung. § 2 Abs. 5 VOB/B sei dahin auszulegen, dass eine solche Anordnung eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers erfordere, mit der einseitig eine Änderung der Vertragspflichten des Auftragnehmers herbeigeführt werden solle.
Von der Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B seien nach der Systematik der VOB/B Störungen des Vertrags aufgrund von Behinderungen abzugrenzen, die faktisch zu Bauzeitverzögerungen führen. Derartige Störungen könnten nicht als Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B gewertet werden. Sie könnten zwar bei Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B zu einer Änderung vertraglich vereinbarter Ausführungsfristen führen; dies beruhe jedoch nicht auf einer Anordnung des Auftraggebers, sondern auf der Vereinbarung des § 6 VOB/B durch die Parteien. Störungen aufgrund von Behinderungen führten nach der Systematik der VOB/B daher nicht zu einem Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B, sondern zu Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen nach § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B beziehungsweise § 6 Abs. 6 Satz 2 VOB/B in Verbindung mit § 642 BGB, wenn der Auftraggeber vertragliche Verpflichtungen oder ihm obliegende Mitwirkungshandlungen nicht erfülle.
Ob eine Erklärung oder ein Verhalten des Auftraggebers als Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B auszulegen sei, beurteile sich nach §§ 133, 157 BGB. Liege eine Störung des Vertrags aufgrund einer Behinderung vor, die faktisch zu einer Bauzeitverzögerung führe, und teile der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Behinderungstatbestand und die hieraus resultierende Konsequenz mit, dass die Leistungen derzeit nicht erbracht werden könnten, liege nach diesem Maßstab keine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B vor. Allein eine solche Mitteilung stelle aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers gemäß §§ 133, 157 BGB keine rechtsgeschäftliche, auf einseitige Änderung der Vertragspflichten gerichtete Erklärung des Auftraggebers dar. Denn der Auftraggeber bestätige damit nur das, was durch die Behinderung ohnehin gegeben sei.
Vielmehr bleibe es für diese Fälle im VOB/B-Vertrag dabei, dass die Regelungen des § 6 VOB/B sowie § 642 BGB, auf den § 6 Abs. 6 Satz 2 VOB/B verweist, Anwendung fänden.
Auch die Übermittlung von Bauablaufplänen stelle danach gemäß §§ 133, 157 BGB keine Anordnung des Auftraggebers im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B dar, wenn mit ihnen lediglich auf behinderungsbedingte Störungen des Vertrags reagiert werde. Dies gelte auch, wenn darin im Hinblick auf die Behinderungen und die deshalb gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B verlängerten Ausführungsfristen zeitliche Konkretisierungen erfolgten. Der Auftraggeber komme damit vielmehr nur seiner Koordinierungsaufgabe gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B nach, bei einem Bauvorhaben mit aufeinander aufbauenden Leistungen das Zusammenwirken der verschiedenen Auftragnehmer zu regeln und an die behinderungsbedingten Störungen anzupassen.
Entgegen der Auffassung der Revision sei das Berufungsgericht nach diesen Maßstäben in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass in der Übermittlung der Bauablaufpläne vom 23. August 2018 und vom 31. Januar 2019 keine auf einseitige Änderung der Vertragspflichten der Klägerin gerichtete rechtsgeschäftliche Erklärung des Beklagten liege und die Verlängerung der Bauzeit mithin nicht auf einer Anordnung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B beruhe.
Dass die Bauablaufpläne einseitige bauzeitverlängernde Vorgaben aus anderen Gründen enthielten, sei nicht festgestellt und werde von der Revision nicht geltend gemacht. Die Bauablaufpläne bildeten daher in Bezug auf die verschiedenen Beginntermine für bestimmte Leistungen der Klägerin erkennbar nur die behinderungsbedingten Störungen ab, die dem vertraglich vereinbarten Ausführungsbeginn sowie einer parallelen Ausführung sämtlicher Leistungen ohnehin entgegenstünden, und konkretisierten die jeweilige Verschiebung der Ausführung in zeitlicher Hinsicht. Gleiches gelte für die Verschiebung der Fertigstellungsfrist und der damit einhergehenden Verlängerung der Gesamtbauzeit. Aufgrund der von der Klägerin geltend gemachten behinderungsbedingten Störungen habe sich die vertraglich vereinbarte Fertigstellungsfrist der Klägerin gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1a) VOB/B verlängert, was der Beklagte der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bestätigt habe. Dass mit dem Bauablaufplan abweichend hiervon die vereinbarte Fertigstellungsfrist einseitig geändert werden sollte, sei nicht ersichtlich.
Anmerkung
Das Urteil des BGH bringt Klarheit zu der Frage, ob eine Bauzeitverzögerung eine Anordnung i. S. d. § 2 Abs. 5 VOB/B darstellt, wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Behinderungstatbestand und die hieraus resultierende Konsequenz mitteilt, dass die Leistungen derzeit nicht erbracht werden können. Der BGH verneint dies selbst im Falle einer Übermittlung von Bauablaufplänen, wenn mit ihnen lediglich auf behinderungsbedingte Störungen des Vertrags reagiert wird.
Scheidet dieser Anspruch aus, muss ein Auftragnehmer sonstige Anspruchsgrundlagen prüfen. Hierzu gehören vor allem die vom BGH im Urteil ebenfalls verneinten Ansprüche auf Schadensersatz gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B sowie auf angemessene Entschädigung gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 VOB/B in Verbindung mit § 642 BGB. Der BGH lehnte den Anspruch auf Schadensersatz ab, da die Klägerin nicht dargelegt hat, inwieweit dieser Umstand die Bauzeitverzögerung adäquat kausal verursacht hat. Der Anspruch auf angemessene Entschädigung schied ebenfalls aus, weil die Klägerin die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 642 BGB nicht schlüssig dargelegt hat.
(Quelle: VOBaktuell Heft I/2025
RA Dr. Philipp Mesenburg / RA Christian Schostag)