Höhe der Bauhandwerkersicherung nach Kündigung des Auftragnehmers

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Höhe der Bauhandwerkersicherung nach Kündigung des Auftragnehmers
Urteil des BGH – VII ZR 34/23 – vom 18. Januar 2024

Orientierungssatz:
Das Sicherungsverlangen nach § 650f BGB ist nicht mehr bezogen auf die ursprünglich vertraglich vereinbarte Vergütung gem. § 631 I BGB zu bestimmen, sondern kann nur noch bezogen auf die Vergütung in der Höhe verlangt werden, die der Auftragnehmer als Rechtsfolge der wirksam erfolgten außerordentlichen Kündigung für sich reklamiert. Der Unternehmer muss daher die Höhe des Sicherheitsverlangens seinem ihm nach der Kündigung verbleibenden Vergütungsanspruch anpassen. Fordert der Auftragnehmer nur 5 % der vereinbarten Vergütung nach § 650f V 3 BGB, ist eine Anpassung entbehrlich.

Der BGH hat Hinweise zur Berechnung der Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB gegeben, einschließlich der Geltendmachung der Mindestsicherung nach § 650f V 3 BGB.

Sachverhalt
Die Kl. begehrte eine Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB.

Am 23. April 2021 schlossen die Kl. und die Rechtsvorgängerin der Bekl. einen Generalübernehmervertrag für die schlüsselfertige Errichtung eines Gesundheitscampus mit Kindertagesstätte auf dem Grundstück B.-Straße in R. zu einem Pauschalfestpreis von 9.340.000 EUR brutto.

Auf die erste Abschlagsrechnung über 520.000 EUR für Planungsleistungen und Projektentwicklung bezahlte die Bekl. am 25. Mai 2021 einen Teilbetrag i. H. v. 270.000 EUR. Mit Schreiben vom 27. Mai 2021 verlangte die Kl. unter Fristsetzung bis zum 9. Juni 2021 eine Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB i. H. v. 9.977.000 EUR. Nachdem diese nicht gestellt wurde, kündigte die Kl. am 10. Juni 2021 den Generalübernehmervertrag aus wichtigem Grund.

Das LG hat der auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung i. H. v. 498.850 EUR gerichteten Klage i. H. v. 216.700 EUR stattgegeben. Die Berufung der Bekl. hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Revision der Bekl. hatte nur teilweise, nämlich insoweit Erfolg, als das BerGer. die Bekl. gem. § 650f I 1 BGB zur Leistung einer den Betrag von 134.680,68 EUR übersteigenden Sicherheit verurteilt hat.

Aus den Gründen
Rechtsfehlerfrei habe das BerGer. entschieden, dass die Kl. dem Grunde nach einen Anspruch gem. § 650f I 1 BGB darauf hat, dass die Bekl. ihr eine Bauhandwerkersicherung
für die vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger  Nebenforderungen stellt, deren Höhe sich als Rechtsfolge der durch die Kl. wirksam erklärten außerordentlichen Kündigung nach § 650f V 2 und 3 BGB bestimme.

Der Anspruch der Kl. auf eine Bauhandwerkersicherung scheitere nicht daran, dass der Bauvertrag gekündigt sei. Die vorzeitige Beendigung eines Bauvertrags lasse das Sicherungsbedürfnis des Unternehmers nicht entfallen, weil dessen Anspruch auf die vereinbarte und nicht gezahlte Vergütung weiterhin der Sicherheit bedürfe.

Von Rechtsfehlern beeinflusst sei jedoch die Bestimmung der Höhe des sicherbaren Anspruchs. Dieser bestehe unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlung der Bekl. nur i. H. v. 134.680,68 EUR. Im Ausgangspunkt zutreffend sei das BerGer. davon ausgegangen, dass eine Sicherung nicht mehr bezogen auf die ursprünglich vertraglich vereinbarte Vergütung gem. § 631 I BGB, sondern nur noch bezogen auf die Vergütung in der Höhe verlangt werden kann, die die Kl. als Rechtsfolge der wirksam erfolgten außerordentlichen Kündigung für sich reklamiere. Der Unternehmer müsse die Höhe des Sicherheitsverlangens seinem ihm nach der Kündigung verbleibenden Vergütungsanspruch anpassen.

Als Folge der wirksamen Kündigung der Kl. bestimme sich die Höhe des sicherbaren Anspruchs gem. § 650f V 2 und 3 BGB. Gemäß § 650f V 2 BGB könne der Unternehmer die
vereinbarte Vergütung verlangen, müsse sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er in Folge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspare oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erspare oder böswillig zu erwerben unterlasse. Im Sicherungsprozess müsse der Unternehmer die Höhe des zu sichernden Vergütungsanspruchs schlüssig darlegen. Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs nach § 650f V BGB bedürfe es grundsätzlich der schlüssigen Darlegung der vereinbarten Vergütung, der Abgrenzung erbrachter Leistungen von den nicht erbrachten Leistungen sowie der Darlegung, welche Kosten der Unternehmer erspart habe und welchen anderweitigen Erwerb er sich anrechnen lassen müsse. Haben die Parteien einen Pauschalpreisvertrag geschlossen, bestimme sich die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen nachdem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistungen zum Wert der vereinbarten Gesamtleistung. Der Unternehmer müsse deshalb das Verhältnis der bewirkten Leistungen zur vereinbarten Gesamtleistung und des Preisansatzes für die Teilleistungen zum Pauschalpreis darlegen.

Rechtsfehlerfrei nehme das BerGer. an, dass der Vortrag der Kl. für die Bemessung der Sicherheit gleichwohl schlüssig sei. Die Kl. begehre die Sicherung einer Vergütung gem. § 650f V 2 und 3 BGB in Höhe von insgesamt 5 % des vereinbarten Pauschalpreises. Bezogen auf die nicht erbrachten Leistungen stütze sie sich auf die gesetzlich vermutete Pauschale nach § 650f V 3 BGB. Als Sicherheit für die erbrachten Leistungen verlange sie nicht die Vergütung in voller Höhe, sondern mache auch diesbezüglich nur 5 % der vereinbarten Vergütung gestützt auf die Pauschalierung nach § 650f V 3 BGB geltend.

Das Vorbringen der Kl. zur Berechnung ihrer Vergütung sei entgegen der Auffassung der Revision nicht deshalb unschlüssig, weil die Kl. die von ihr bereits erbrachten Leistungen nicht von den noch ausstehenden Leistungen abgegrenzt und, wie für Pauschalpreisverträge notwendig, die entsprechende Vergütung dem erbrachten und nicht erbrachten Leistungsteil zugeordnet hat.

Zwar bedarf es zur Ermittlung der kündigungsbedingt geschuldeten Vergütung aus einem Pauschalpreisvertrag grundsätzlich einer solchen Darlegung. Diese sei jedoch entbehrlich gewesen, weil die Kl., in Kenntnis, dass sie keine solche Aufstellung erstellt hat, bezogen auf die erbrachten Leistungen nicht die darauf entfallende volle Vergütung, sondern lediglich einen fünfprozentigen Anteil geltend mache. Der Bekl. erwachse kein Nachteil, wenn die
Kl. mit ihrer Forderung hinter dem zurückbleibt, was sie als Vergütung für erbrachte Leistungen tatsächlich fordern könnte. Der Unternehmer könne sein Sicherungsverlangen auf einen Teilbetrag beschränken. Die Kl. mache als Teil des Sicherungsverlangens für erbrachte Leistungen lediglich die kündigungsbedingte Vergütung in der Höhe geltend, welche sie beanspruchen könnte, wenn sie keinerlei Leistungen erbracht hätte. Eine solche Vergütung stehe ihr ausgehend von der Vermutungsregelung des § 650f V 3 BGB in jedem Fall zu.

Der Schlüssigkeit stehe auch nicht entgegen, dass die Kl. keine Angaben zu einem anderweitigen Erwerb i. S. v. § 650f V 2 Hs. 2 Fall 2 BGB gemacht habe. Zugunsten der Kl. gelte die Vermutungsregel des § 650f V 3 BGB, die gerade eine Vereinfachung für Unternehmer ermögliche, die wie die Kl. Schwierigkeiten hätten, die kündigungsbedingt geschuldete Vergütung nach § 650f V 2 BGB schlüssig darzustellen. Das Vorbringen sei auch ohne Vorlage einer Schlussrechnung schlüssig.

Das BerGer. habe jedoch zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, dass der Unternehmer auf den Teil der Vergütung, der für noch nicht erbrachte Leistungen geltend gemacht werde, keine Umsatzsteuer berechnen dürfe. Dies habe zur Folge, dass die Kl. nur eine Sicherheit für die geschuldete Nettovergütung beanspruchen könne.

Anmerkung
Das Urteil des BGH stellt klar, dass das Sicherungsverlangen nach § 650f BGB nicht mehr bezogen auf die ursprünglich vertraglich vereinbarte Vergütung gem. § 631 I BGB zu bestimmen ist, sondern nur noch bezogen auf die Vergütung in der Höhe verlangt werden kann, die der Auftragnehmer als Rechtsfolge der wirksam erfolgten außerordentlichen Kündigung für sich reklamiert. Der Unternehmer muss daher die Höhe des Sicherheitsverlangens seinem ihm nach der Kündigung verbleibenden Vergütungsanspruch anpassen. Fordert der Auftragnehmer jedoch nur die 5 % der vereinbarten Vergütung nach § 650f V 3 BGB, ist eine Anpassung entbehrlich. Mit dieser Entscheidung werden Auftragnehmern die Geltendmachung der Bauhandwerkersicherung bis zu den im § 650f V 3 BGB geregelten 5 % der vereinbarten Vergütung erleichtert, da es weiteren Darlegungen dann nicht bedarf.

(Quelle: VOBaktuell Heft III/2024
RA Dr. Philipp Mesenburg / RA Christian Schostag)