Ausschluss eines konzernverbundenen Unternehmens bei Vorgabe einer Loslimitierung?

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Ausschluss eines konzernverbundenen Unternehmens bei Vorgabe einer Loslimitierung?
Beschluss des OLG München – Verg 7/20 vom 23. November 2020

Im Falle einer Loslimitierung sind konzernverbundene abhängige Unternehmen nicht stets als ein Bieter anzusehen.

Soll eine Loslimitierung auch Angebote abhängiger, aber juristisch eigenständiger Unternehmen erfassen, muss der Auftraggeber in der Bekanntmachung angeben, dass abhängige Unternehmen als ein Bieter gelten.

Dass konzernverbundene, abhängige Unternehmen als „ein Bieter“ i. S. d. konkreten Bekanntmachung anzusehen sind, kann sich auch aus dem Zweck der Loslimitierung ergeben. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um einen extrem umfangreichen Auftrag in einem sowohl auf Bieter- als auch auf Nachfrageseite stark eingeschränkten Markt handelt.

Beteiligen sich Konzernunternehmen bei einer Vergabe jeweils mit Angeboten auf unterschiedliche Lose, besteht keine Vermutung eines Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb, den die Unternehmen widerlegen müssten.

Allein die Tatsache, dass miteinander verbundene Unternehmen möglicherweise aufgrund ihrer Konzernzugehörigkeit günstiger einkaufen und daher niedrigere Preise anbieten können, ist keine Wettbewerbsverzerrung, sondern entspricht dem Vorteil der größeren Unternehmenseinheit.

In der Entscheidung des OLG München ging es um die Frage, ob ein konzernverbundenes Unternehmen bei der Vorgabe einer Loslimitierung auszuschließen ist.

Sachverhalt:
In dem zugrundeliegenden Vergabeverfahren beabsichtigte die Auftraggeberin, für den Neubau eines Strafjustizzentrums das Gewerk Trockenbauarbeiten im offenen Verfahren, aufgeteilt auf zwei Lose, zu vergeben. Laut Bekanntmachung durfte ein Bieter jeweils nur für ein Los ein Angebot abgeben. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Die Antragstellerin und die Beigeladene gaben fristgerecht Angebote für Los 1 ab. Das Angebot der Beigeladenen war erstplatziert. Für Los 2 reichte u. a. die R. GmbH ein Angebot ein. Die Beigeladene ist Mehrheitsgesellschafterin der R. GmbH. Die Herren G. und H. sind jeweils Prokuristen der Beigeladenen und Geschäftsführer der R. GmbH.

Die Antragstellerin rügte, dass die Angebote der Beigeladenen und der R. GmbH aufgrund der juristischen und personellen Verflechtungen dieser Unternehmen gegen die Loslimitierung verstießen und daher auszuschließen seien.

Die Beigeladene teilte mit, sie und die R. GmbH agierten eigenständig und unabhängig voneinander am Markt. Es gebe abgesehen von Herrn G. und Herrn H. keine personellen Überschneidungen und eine infrastrukturelle Eigenständigkeit. Beide Unternehmen verfügten über eine eigene Belegschaft sowie eigene Ausstattung an Geräten, Maschinen und Fahrzeugen.

Nachdem die Auftraggeberin der Rüge nicht abhalf und den Zuschlag für Los 1 der Beigeladenen erteilen wollte, beantragte die Antragstellerin die Nachprüfung.

Nach Ansicht des OLG München ist die Beigeladene nicht wegen Verstoßes gegen die Loslimitierung auszuschließen.

Aus den Gründen:
Die Auftraggeberin habe in der Bekanntmachung vorgeschrieben, dass jeder Bieter nur ein Angebot auf eines der Lose abgeben könne. Diese Loslimitierung sei nach § 5 EU Abs. 2 Nr. 3 VOB/A zulässig.

Ein Verstoß gegen eine Loslimitierung führe zwar grundsätzlich zum Ausschluss des Bieters nach § 13 EU Abs. 1 Nr. 5, § 16 EU Nr. 2 VOB/A, jedoch komme ein Ausschluss der Beigeladenen nicht in Betracht. Diese habe sich nicht selbst auf die Lose 1 und 2, sondern nur auf Los 1 beworben. Der Bekanntmachung lasse sich nicht entnehmen, dass die
Auftraggeberin auch Angebote abhängiger, aber juristisch eigenständiger Unternehmen auf Los 1 bzw. Los 2 habe untersagen wollen. Eine derartige Auslegung ergebe sich auch nicht aus europarechtlichen Vorgaben.

Die Bekanntmachung enthalte keine ausdrückliche Regelung, wonach abhängige Unternehmen als ein Bieter gelten und daher die Loslimitierung auch für abhängige, aber rechtlich selbständige juristische Personen gelten solle.

Auch aus der Definition des Wirtschaftsteilnehmers in Art. 2 Nr. 10 Richtlinie 2014/24/EU lasse sich nicht ableiten, dass im Falle einer Loslimitierung abhängige Unternehmen stets als „ein“ Bieter anzusehen wären. Zwar könnten danach sowohl einzelne Unternehmen als auch ein Konzern als „ein“ Wirtschaftsteilnehmer gelten. Daraus lasse sich jedoch nichts für die Frage ableiten, ob bei einer Loslimitierung konzernverbundene, abhängige Unternehmen zwingend als ein Wirtschaftsteilnehmer anzusehen seien.

Ein Ausschluss der Beigeladenen wegen Verstoßes gegen die Loslimitierung käme nur in Betracht, wenn sich aus dem für jeden Bieter erkennbaren Zweck der Loslimitierung eindeutig ergeben hätte, dass konzernverbundene, abhängige Unternehmen als „ein Bieter“ i. S. d. konkreten Bekanntmachung anzusehen seien. Daran fehle es vorliegend.

Das OLG Düsseldorf (Verg 6/00 vom 15.06.2000) hatte zwar entschieden, dass die Loslimitierung verletzt sei, wenn mehrere Konzernunternehmen, die als verbundene Unternehmen i. S. d. § 36 Abs. 2 Satz 1 GWB anzusehen seien, als mehrere Unternehmen und nicht als ein an die Loslimitierung gebundenes Unternehmen behandelt würden. Für jeden Bieter erkennbar sei der Zweck der Loslimitierung die Vermeidung der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Auftraggebers von einem Hersteller gewesen, der sich möglicherweise auf dem Weg zu einer marktbeherrschenden Stellung befinde, und zudem der Erhalt und Schutz künftigen Wettbewerbs. An einer derartigen, noch dazu für Bieter zwingend erkennbaren Zwecksetzung fehlt es aber nach Ansicht des OLG München vorliegend. Anders als in der o. g. Entscheidung gehe es nicht um einen extrem umfangreichen Auftrag in einem sowohl auf Bieter- als auch auf Nachfrageseite stark eingeschränkten Markt. Die Auftraggeberin habe vielmehr das in zwei Lose aufgeteilte Gewerk Trockenbauarbeiten ausgeschrieben – eine Leistung, die von einer unübersehbaren Anzahl an Bietern angeboten und von einer ebenfalls unübersehbaren Anzahl öffentlicher Auftraggeber nachgefragt werde. Dies habe ersichtlich keine Auswirkungen auf den Markt.

Im hier zu entscheidenden Fall sei es aus Sicht der Bieter keineswegs naheliegend, dass auch konzernverbundene Unternehmen als „ein Bieter“ anzusehen wären und der Loslimitierung unterliegen sollten. Mangels einer klar ersichtlichen Vorgabe in der Ausschreibung komme daher ein Ausschluss wegen Verstoßes gegen die Loslimitierung nicht in Betracht.

Der Zweck der Loslimitierung sei im Vergabevermerk auch nicht dokumentiert. Nehme man die Förderung kleinerer und mittelständischer Unternehmen an, lasse selbst dies aus Bietersicht nicht zwingend darauf schließen, Angebote konzernverbundener Unternehmen jeweils auf eines der Lose seien untersagt. Auch mittelständische Unternehmen, die einem Konzernverbund angehörten, könnten für sich genommen oder auch gemeinsam als Konzern nur mittelständischen Umfang erreichen.

Auch der Zweck der Erhöhung der Versorgungssicherheit für die Auftraggeberin sowie der Vermeidung der personellen Überforderung eines Bieters lasse jedenfalls keinen eindeutigen Schluss zu, abhängige Unternehmen seien von der Loslimitierung umfasst. Es sei keineswegs zwingend, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten eines konzernzugehörigen Unternehmens stets zu gleichen Problemen bei anderen Unternehmen desselben Konzerns führen. Umgekehrt bestehe die Möglichkeit, dass ein Unternehmen, das bei Abwicklung eines Auftrags in Probleme gerate, auf die Hilfe eines anderen Konzernunternehmens zurückgreifen könne. Schließlich sei für die Frage der Überforderung eines Bewerbers die Konzernzugehörigkeit per se gleichgültig, solange die Bieter über eigene personelle und sachliche Ausstattung verfügten. Vorliegend hätten die Beigeladene und die R. GmbH abgesehen von den beiden Prokuristen jeweils eigenständiges Personal sowie eigene Infrastruktur und Ausstattung mit Maschinen und Geräten.

Zudem sei selbst die Teilnahme zweier abhängiger Unternehmen an derselben Ausschreibung erst dann unzulässig, wenn gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs verstoßen worden sei. Bei der Bewerbung zweier konzernverbundener Unternehmen auf dasselbe Los erhöhe sich allerdings die Wahrscheinlichkeit für den Konzern, jedenfalls auf eines der beiden Angebote den Zuschlag zu erhalten. Einen eindeutigen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot sehe die Rechtsprechung darin aber nicht.

In der Entscheidung des EuGH vom 19.05.2009 – C-538/07 hätten sich abhängige Unternehmen auf dieselbe Ausschreibung beworben, sodass die Gefahr einer inhaltlichen Abstimmung der Angebote durch abhängige Unternehmen jedenfalls nicht fernliegend erschienen sei. Dennoch habe der EuGH in dieser Fallkonstellation einen automatischen Ausschluss als unverhältnismäßig angesehen.

Im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hält es der Senat auch bei einer Loslimitierung, die die Bewerbung abhängiger Unternehmen auf unterschiedliche Lose ausschließt, für erforderlich, dass die Vergabestelle hierfür hinreichende sachliche Gründe hat. Je nach Zielsetzung lässt er auch widerlegliche Vermutungen genügen.

Die Beigeladene sei auch nicht nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB auszuschließen. Ein solcher Ausschluss komme unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur in Betracht, wenn hinreichende Anhaltspunkte vorlägen, dass das Unternehmen mit anderen Unternehmen Vereinbarungen getroffen habe, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bewirken oder bezwecken. Dafür sei nichts ersichtlich. Es bestehe keine Vermutung eines Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb.

Zwar sei die Beigeladene Mehrheitsgesellschafterin der R. GmbH und beide mithin verbundene Unternehmen i. S. d. § 36 Abs. 2 GWB. Konzernangehörige Unternehmen könnten das vergaberechtliche Gebot des Geheimwettbewerbs aber nur verletzen, wenn sie getrennte Parallelangebote zu einer Ausschreibung einreichten. Die Beigeladene und die R. GmbH hätten sich aber nicht als abhängige Unternehmen an derselben Ausschreibung beteiligt, sondern um unterschiedliche Lose, d. h. unterschiedliche Aufträge beworben. Angebote, die auf unterschiedliche Lose für eigenständige Aufträge abgegeben würden, stünden nicht im Wettbewerb zueinander.

Auch fehlten ausreichende Nachweise für eine Abstimmung der Beigeladenen und der R. GmbH über den Inhalt der Angebote. Allein die Tatsache, dass zwei Prokuristen der Beigeladenen gleichzeitig Geschäftsführer der R. GmbH seien, genüge nicht. Beide seien an der Kalkulation und Erstellung der Angebote nicht beteiligt gewesen und hätten keinen Einblick in die EDV- und Papiervorgänge gehabt.

Auch die niedrigeren Stoffkosten stellten keine Wettbewerbsverzerrung dar. Zwar könne die Beigeladene aufgrund ihrer Konzernzugehörigkeit günstiger einkaufen und daher auch bezüglich der Stoffkosten niedrigere Preise anbieten. Über einen derartigen Vorteil verfüge jedoch jedes größere Unternehmen, das gleichzeitig mehrere gleichgelagerte Aufträge – für verschiedene Auftraggeber – ausführe, damit größere Mengen beschaffe und so ggf. günstigere Preise erziele. Dieser Vorteil sei bei der Konkurrenz größerer und kleinerer Unternehmen im selben Markt unvermeidbar, stelle aber noch keine Wettbewerbsverzerrung dar. Auch die Tatsache, dass die Beigeladene die Firma R. GmbH darüber in Kenntnis gesetzt hat, dass sie sich auf Los 1 bewirbt, hält der Senat für unbedenklich.

Praktische Auswirkungen:
Möchte ein Auftraggeber die Loslimitierung auch auf Angebote abhängiger, aber juristisch eigenständiger Unternehmen erstrecken, muss er in der Bekanntmachung klarstellen, dass abhängige Unternehmen als ein Bieter gelten und die Loslimitierung sich daher auf sie erstreckt. Im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss ein Auftraggeber auch für eine Loslimitierung, die die Bewerbung abhängiger Unternehmen auf unterschiedliche Lose ausschließt, hinreichende sachliche Gründe haben.

(Quelle: VOBaktuell Heft II/2021
Ass. jur. Anja Mundt)